Lungenärzte im Netz

Ihre Experten für gesunde Atemwege

Herausgeber:

Reagieren die Lungen von Frauen empfindlicher?

Pneumologische Erkrankungen zeigen bei Frauen oft andere Verläufe als bei Männern. Deshalb sollten geschlechtsspezifischen Aspekten mehr Beachtung geschenkt werden.

Seit einigen Jahren nehmen chronische Lungenerkrankungen in den Statistiken zur Todesursache den dritten Platz ein, nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen. Bei Männern sind sie derzeit weltweit für gut 5 % aller Sterbefälle verantwortlich, bei Frauen sind es 6 %. Jetzt haben zwei Forschende aus Kanada und England die wichtigsten geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Lungenerkrankungen in einem Review zusammengefasst (siehe European Respiratory Review, online seit 12.1.2022).

Demnach sind von Lungenfunktionsstörungen wie Asthma oder COPD zunehmend Frauen betroffen. Denn infolge der seit vielen Jahren weltweit steigenden Zahl von Raucherinnen hat die COPD-Prävalenz bei Frauen mittlerweile mindestens die der Männer erreicht. Auch Bronchiektasen, pulmonale Hypertonie und Lymphangiomyomatose betreffen in erster Linie die Damenwelt, die idiopathische Lungenfibrose ist hingegen bei den Herren häufiger zu finden. Bei Asthma, COPD und Bronchiektasen fällt zudem eine Tendenz zu höheren Schweregraden bei den weiblichen Patienten auf.

Die Medizin sei darauf allerdings nur schlecht vorbereitet: Den Studienautoren zufolge finden geschlechtsspezifische Aspekte noch immer zu wenig Beachtung in Diagnostik und Therapie pneumologischer Erkrankungen.

Während immer mehr Frauen dem Tabak frönen, rauchen sie letztlich immer noch weniger als Männer. Dennoch stellen Frauen weltweit zwei Drittel aller COPD-Betroffenen unter den Nichtrauchern. Womöglich reagieren die Lungen von Frauen empfindlicher auf Tabakrauch als die von Männern, versucht eine gängige Hypothese diesen vermeintlichen Widerspruch aufzulösen. Sie basiert unter anderem darauf, dass bei gleicher Körpergröße die Lungen der Frauen kleiner sind als die der Männer. Somit haben sie weniger Fläche zur Verfügung, auf der sich die Schadstoffe aus dem Tabakrauch niederschlagen können.

Eine COPD verläuft bei den Damen insgesamt schwerer als bei den Herren, mit mehr Atemnot und Husten, stärkerem Abfall der Lungenfunktion und mehr Klinikaufenthalten. Während bei Männern verstärkt Emphyseme beobachtet werden, sind bei Frauen eher die kleinen Atemwege beteiligt. Die Unterschiede sind dabei nicht nur auf Lungengröße und Schadstoffexposition oder die jeweilige gesellschaftliche Funktion zurückzuführen, sondern auch auf tatsächliche biologische Unterschiede. Ergebnisse aus Tierversuchen sprechen dafür, dass Geschlechtshormonen hierbei eine entscheidende Rolle zukommt. Auch Daten, die mittels Mendelscher Randomisierung gewonnen wurden, lassen sich zusammenfassend so deuten, dass Östrogene den Abfall der Lungenfunktion fördern, während Testosteron eher protektiv wirkt.

Auch für die Prävalenz von Asthma scheinen die Geschlechtshormone von Bedeutung zu sein. Denn während im Kindesalter eher Jungen als Mädchen an der Atemwegserkrankung leiden (8,4 % gegenüber 5,5 %) kehrt sich dies bei Erwachsenen um (6,1 % gegenüber 9,8 %). Frauen müssen auch dreimal häufiger wegen Asthma-Anfällen im Krankenhaus behandelt werden als Männer. Allerdings gibt es auch Evidenz dafür, dass sich die Atemwegsymptomatik bei Frauen mit der Menopause verschlechtert, da Östrogene offenbar einen schützenden Effekt haben.

Andererseits begünstigen weibliche Hormone offenbar bestimmte Entzündungsprozesse, z. B. die Entstehung von Eosinophilie und einer durch ­T-Helferzellen vom Typ 2 gestützten Inflammation. Frauen leiden häufiger als Männer unter nicht-allergischem Asthma. Zudem zeigen sie insgesamt ein schwereres Krankheitsbild und haben eine höhere Mortalitätsrate. Auf inhalative Steroide scheinen sie alles in allem nicht schlechter anzusprechen als Männer, brauchen jedoch häufiger Biologika.

Auch Bronchiektasen verschiedener Ursache, die nicht durch Mukoviszidose (zystische Fibrose) bedingt sind, betreffen vor allem Frauen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass diese stärker als Männer zur Entzündung der kleinen Atemwege neigen. In der Therapie besteht die stärkste Evidenz für eine Langzeitgabe von Makroliden, die die Häufigkeit von Exazerbationen halbieren können und bei Patientinnen anscheinend etwas effektiver sind als bei den Männern.

Auch hinsichtlich des Verlaufs von COVID-19 bestehen bekanntermaßen Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Von schweren Verläufen mit Todesfolge, Krankenhausaufenthalt oder Intensivbehandlung sind Männer 1,5- bis 2-mal häufiger betroffen – während das Post-COVID-Syndrom möglicherweise öfter bei Frauen auftritt. Im Rahmen einer prospektiven Studie berichteten 13 % der COVID-19-Patienten über Symptome, die länger als 28 Tage anhielten. Risikofaktoren hierfür waren höheres Lebensalter, ein höherer BMI – und weibliches Geschlecht.

Quelle: Medical Tribune vom 27.3.2022