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Lungenfunktion nimmt bei COPD oft schon früh ab

Eine beschleunigte Abnahme der Lungenfunktion ist ein Kennzeichen von fortschreitender COPD, tritt aber auch nach viralen Infektionen und dadurch ausgelösten Verschlechterungsschüben (Exazerbationen) auf.

Die herkömmliche Vorstellung des Verlaufs einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung ist die beschleunigte Abnahme der Lungenfunktion im Vergleich zu Lungengesunden. Das stimmt aber nur für einige Patienten.

Auf etwa 30–40 % schätzt Prof. Dr. Donald D. Sin von der Universität Vancouver in Kanada den Anteil der Patienten mit COPD, deren Lungenfunktion in jungen Jahren normal war und sich dann beschleunigt verringert hat. Viele Betroffene weisen bereits im Alter von 20 bis 25 Jahren eine reduzierte Lungenfunktion auf, die sich dann ähnlich wie bei anderen Menschen im Laufe des Lebens weiter verringert und pathologisch und besonders schlecht wird. Ein Faktor für ein unzureichendes Lungenwachstum seien virale Infektionen in frühen Lebensjahren, erklärt Sin.

Bekannter ist der Zusammenhang von viralen Infektionen mit akuten Verschlechterungen (Exazerbationen) einer COPD (AECOPD). Mehr als 70 % aller AECOPD werden auf Infektionen zurückgeführt, in der Vergangenheit am häufigsten solche mit humanen Rhinoviren (HRV), Influenzaviren oder Streptococcus pneumoniae. Seit 2020 ist die SARS-CoV-2-Infektion prominent hinzugekommen, während andere Viren – unter anderem durch die präventiven Maßnahmen wie Maskentragen – als Auslöser für AECOPD in den Hintergrund getreten sind. Unabhängig vom auslösenden Pathogen gilt: Je häufiger Exazerbationen auftreten, umso geringer war die Einsekundenkapazität (FEV1) schon bei Diagnosestellung der COPD und umso rascher ist die Abnahme der Lungenfunktion.

Zwei Aspekte hebt Sin hervor, die Patienten mit COPD wahrscheinlich besonders empfänglich für schwerere Virus-bedingte Atemwegsinfektionen machen: Eine reduzierte Virenabwehr (Virusclearance) und eine Immunschwäche. Da Patienten mit COPD bei einer Infektion schlechter in der Lage sind, die Viren aus der Lunge hinaus zu befördern, können sich die Viren stärker im Atemwegsepithel vermehren. Die Viruslast ist dadurch höher als bei infizierten Patienten ohne COPD, selbst wenn diese Raucher sind. Bei einer Infektion mit humanen Rhinoviren (HRV) ist die Lungenfunktion auch bei Patienten ohne COPD einige Tage reduziert, verschlechtert sich aber bei COPD-Patienten deutlich mehr und bleibt anhaltend unter dem Ausgangswert. Bei Patienten mit häufigen AECOPD sind außerdem Koinfektionen mit bakteriellen Pathogenen im Verlauf einer HRV-Infektion häufig.

Wahrscheinlich sind viele COPD-Patienten immungeschwächt, meint Sin. Wenn man Immunglobulin G (IgG) bestimme, finde man bei etwa jedem fünften Patienten eine Hypogammaglobulinämie, die mit einem erhöhten Risiko für Exazerbationen verbunden ist. Eine Metaanalyse fand sogar eine noch höhere Frequenz einer Hypogammaglobulinemia bei COPD-Patienten von 28,4%. Erst kürzlich wurde auch ein Zusammenhang der Serum-IgG-Spiegel mit der Mortalität von Patienten mit COPD gezeigt (siehe American Journal of Respiratory Critical Care Medicine. 2021, Band 204, Seite: 362-365). Die höchste Mortalität fand sich bei Patienten mit IgG-Spiegeln < 7 g/l, interessanterweise war aber auch die Mortalität der Patienten mit einem IgG-Spiegel > 16 g/l erhöht, wobei Paraproteinämie oder Multiples Myelom in der Studie zuvor schon ausgeschlossen worden waren.

Quelle: ERS 2021 Kongressbericht, Springer Medizin vom 19.09.2021