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Chronische Lungenpatienten profitieren vom palliativmedizinischen Angebot

Patienten mit fortgeschrittener COPD oder interstitiellen Lungenerkrankungen sind palliativmedizinisch immer noch schlecht versorgt. Dabei sollte man auch mit ihnen rechtzeitig einen Plan für die drohenden Krisensituationen erarbeiten…

Die moderne Medizin zielt primär auf Heilung, der Tod wird zumeist als Scheitern interpretiert. Die Palliativmedizin dagegen will lindern statt heilen, sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der auch Angehörige einbezieht, und individualisiert die Abläufe. Leider verstehen viele Ärzte die Palliativmedizin immer noch als Medizin am Lebensende, was viel zu kurz greift, bedauerte Dr. Sandra Delis, Helios Klinikum Emil von Behring, Berlin.

Die Nationale VersorgungsLeitlinie COPD ist schon einen Schritt weiter: Sie benennt explizit die palliativmedizinische Betreuung als integralen Teil des Versorgungskonzepts mit dem Ziel, das Management von Symptomen und zusätzlichen Begleiterkrankungen (Komorbiditäten), vor allem Angst und Depression, Osteoporose und Schmerz, zu optimieren. Sie betont zudem, dass Arzt und Patient Therapieziele und den Weg dorthin gemeinsam festlegen sollen. Das frühe Gespräch über Therapieziele ist enorm wichtig und oft herausfordernd für alle Beteiligten, so Dr. Delis: „Wenn ein Patient es noch mal aus dem Krankenhaus nach Hause geschafft hat, kann es schwierig sein, ihm und den Angehörigen klarzumachen, dass der nächste Aufenthalt auf der Intensivstation vielleicht nicht mehr das Richtige ist.“

Als Paradebeispiel für nicht-maligne Erkrankungen, bei denen eine frühe palliativmedizinische Mitbetreuung samt Advanced Care Planning (ACP) sinnvoll erscheint, nannte die Kollegin die COPD: Die Symptomlast ist hoch, die Lebensqualität durch Atemnot (Dyspnoe), Erschöpfung (Fatigue) und Gewichtsverlust (Kachexie) chronisch eingeschränkt. Es besteht ein hohes Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen, bei denen akut Entscheidungen getroffen werden müssen. „Da ist es gut, wenn man vorher in einem ruhigen Umfeld darüber gesprochen hat“, betonte Dr. Delis.

Grundlage des ACP ist immer die Werteanamnese, also die Einstellung des Kranken zum Leben, zu schwerer Krankheit, zum Sterben. Seine Vorstellungen und Vorgaben und die seiner Angehörigen müssen im Krankheitsverlauf immer wieder überprüft und angepasst werden. Dazu gehört auch, dass ein Vertreter bestimmt, Betreuungsverfügung und Vorsorgevollmacht ausgestellt werden.

Die Realität sieht indes anders aus. Die palliative Versorgung von Patienten mit COPD oder auch interstitieller Lungenerkrankung läuft schlechter als die von Lungenkrebspatienten. Sie sterben häufiger im Krankenhaus und auf der Intensivstation, werden häufiger beatmet und reanimiert – obwohl alle drei Gruppen etwa gleich häufig nicht beatmet und reanimiert werden möchten. Sie sterben häufiger in der Atemnot, mit mangelnder Symptomkontrolle und erhalten seltener Palliativbetreuung. Einen Grund dafür sieht Dr. Delis darin, dass die COPD sehr wechselhaft verlaufen kann und es schwerfällt, die Prognose abzuschätzen und die Patienten entsprechend zu beraten. „Es ist nicht schlimm, als Behandler ehrlich zuzugeben: Ich kann es nicht genau sagen“, meinte die Pneumologin.

Der richtige Zeitpunkt für die palliativmedizinische Beratung ist gekommen, wenn akute Ereignisse die Situation des Patienten einschneidend verändern, etwa nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation wegen Lungenversagens, wenn eine nicht-invasive Beatmung oder Langzeitsauerstofftherapie begonnen werden soll oder wenn eine weitere lebensbedrohliche Erkrankung diagnostiziert wird, etwa ein Bronchialkarzinom. Im Helios Klinikum erfolgt z.B. obligatorisch ein palliativmedizinisches Konsil, wenn Patienten zur endoskopischen Lungenvolumenreduktion kommen.

Eine frühe palliativmedizinische Intervention kann bewirken, dass Präferenzen des Kranken und tatsächliche Versorgung besser übereinstimmen, betonte Dr. Delis. Die Chance steigt, dass Patienten ihrem Wunsch entsprechend zu Hause sterben können und unsinnige Notfall-Krankenhausaufnahmen unterbleiben. Wenn es gut läuft, gelingt es, den Hinterbliebenen das Gefühl zu geben, sie selbst und der Kranke seien besser auf das Lebensende vorbereitet gewesen.

Quelle: Bericht zum 61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin auf www.medical-tribune.de am 06.11.2021