Durch den Klimawandel verlängern sich die Pollenflugzeiten verschiedener Pflanzenarten und überschneiden sich zunehmend miteinander. „Das führt zu verstärkten Stoßzeiten durch Pollenflug und damit zu einer zunehmenden Belastung für Allergiker “ , betont Dr. Michael Barczok, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Pneumologen (BdP), der eine Gemeinschaftspraxis für Lungen- und Bronchialheilkunde in Augsburg führt, die sich unter anderem auf Allergologie und Umweltmedizin spezialisiert hat. „Zum Beispiel bilden jetzt Baumarten, die sonst nacheinander blühen würden, mancherorts zur selben Zeit ihre Pollen“, erläutert Barczok. „Wegen des ungewöhnlich milden Winters waren die früh blühenden Bäume in diesem Jahr bis zu sechs Wochen vor ihrer Zeit, wobei die ersten Pollenflugvorhersagen für diese Saison bereits Mitte Dezember gemeldet wurden. Insgesamt hat sich die Blütezeit vieler Pflanzen seit den 1980er Jahren sowohl nach vorne verschoben, als auch verlängert, wie Wissenschaftler der Freien Universität Berlin festgestellt haben. So blüht zum Beispiel die Birke, die derzeit hauptsächlich für die massiven Beschwerden der Allergiker verantwortlich ist, rund acht Tage länger als noch vor 25 Jahren. Insgesamt dauert die Heuschnupfensaison inzwischen zehn bis elf Tage länger an als noch vor einigen Jahren“, betont Barczok.
Unbehandelt droht Allergikern ein Etagenwechsel
Wenn Allergiker ihre Erkrankung nicht konsequent behandeln lassen, droht ein so genannter Etagenwechsel. „Darunter verstehen wir Mediziner ein Phänomen, bei dem sich die Allergie und damit auch die Krankheitsbeschwerden des Betroffenen im Körper verlagern und ausbreiten“, erklärt Barczok. „So kann die Allergie bedingte Entzündung, die bei Heuschnupfenpatienten zunächst nur die oberen Atemwegen betrifft, auf einmal hinunter in die Lunge rutschen und dann zu zusätzlichen Asthma bronchiale führen. Das liegt daran, dass Heuschnupfen und allergisches Asthma eng miteinander verwandte Krankheiten sind, die zum so genannten atopischen Formenkreis gezählt werden.“ Zum atopischen Formenkreis gehören: Asthma, allergischer Schnupfen mit Bindehautentzündung (die so genannte Rhinokonjunktivitis) einschließlich Heuschnupfen und Hausstaubmilbenallergie sowie die chronische Hauterkrankung Neurodermitis, unter der insbesondere viele Kinder leiden. Atopisch bedeutet, dass bei den Betroffenen eine erbliche Veranlagung vorliegt, bei Kontakt mit Allergie auslösenden Stoffen eine übersteigerte Abwehrreaktion zu entwickeln und dabei eine oder mehrere Erkrankungen des atopischen Formenkreis zu entwickeln. Diese Erkrankungsformen können also entweder allein, oder nacheinander oder auch parallel auftreten. „Die Pollenallergie eines Heuschnupfenpatienten kann sich aber zum Beispiel auch zu einer zusätzlichen Lebensmittelallergie gegen bestimmte Pflanzenbestandteile ausweiten, die eine enge Verwandtschaft mit den Blütenpollen aufweisen“, berichtet Barczok. Das bezeichnet man dann als eine Kreuzallergie.
Große medizinische Herausforderung des 20. Jahrhunderts
„Gerade im Hinblick auf die Tatsache, dass viele Allergiker nichts gegen ihre Erkrankung unternehmen und die Häufigkeit von Allergien in der Bevölkerung zunehmen wird, stehen wir vor einer großen medizinischen Herausforderung des 20. Jahrhunderts“, warnt Barczok. „Außerdem verursachen unzureichende Therapien oder Fehldiagnosen unnötige Kosten.“ So belaufen sich nach Angaben der Stiftung Europäisches Zentrum für Allergieforschung (ECARF) die vermeidbaren Ausgaben, die den Volkswirtschaften in der EU jährlich durch Allergien entstehen, auf rund 20 Milliarden Euro. Einen Überblick über die Veränderungen und die zu erwartenden Stoßzeiten im Pollenflug der wichtigsten, Allergie auslösenden Pflanzen können sich betroffene Allergiker und interessierte Laien mit unserem neuen Pollenflugkalender verschaffen.