Ursache einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) ist nicht immer das Rauchen: Auch eine angeborener Gendefekt – der so genannte Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM oder Alpha-1 abgekürzt) – kann sich dahinter verbergen. Darauf machen die Lungenärzte der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Berlin aufmerksam. Selbst wenn Alpha-1 zu den seltenen Krankheiten (mit einer Häufigkeit von weniger als 5 von 10.000 Betroffenen) gezählt wird, stellt er gerade in Nord- und Mitteleuropa eine der häufigsten Erbkrankheiten dar. Ursache ist ein angeborener Mangel an einem bestimmten Eiweißstoff – ein Enzym namens Alpha-1-Antitrypsin, das normalerweise ein anderes Enzym (Leukozytenelastase) hemmt. Fehlt der Hemmstoff Alpha-1-Antitrypsin, kann dieses Enzym verstärkt elastisches Gewebe im Körper abbauen. Dadurch werden die Lungenbläschen angegriffen und zerstört, aber auch die kleinen Bronchialäste und die Lungengefäße nehmen Schaden. So entwickelt sich – auch ohne Zigarettenrauchen - das Krankheitsbild einer COPD. „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel kann zu einem schweren und bereits in jüngeren Jahren auftretenden Lungenemphysem führen“, erklärt Prof. Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat der DGP und Ärztlicher Leiter der Lungenfachklinik Kloster Grafschaft in Schmallenberg. „Viele der Betroffenen entwickeln bereits zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr Symptome wie dauerhaften Husten, Auswurf und Atemnot bei körperlicher Belastung. Insbesondere Zigarettenrauchen beschleunigt die Entwicklung des Emphysems allerdings erheblich. Die COPD entwickelt sich dann oft 10-20 Jahre früher.“
Krankheitsursache bleibt oft lange unerkanntDas Fatale ist, dass einige Menschen Träger des Gendefekts sind, ohne dies zu wissen. „Die Erbkrankheit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel tritt (in Folge ihres autosomal-rezessiven Erbganges) nur dann voll in Erscheinung, wenn das defekte Gen in doppelter Ausführung vorliegt – also von beiden Elternteilen (homozygot) vererbt worden ist. Dann kommt es bereits im frühen Alter zu einer Zerstörung der Lungenbläschen und einem Lungenemphysem (COPD). Hat der Betroffene demgegenüber den Gendefekt nur in einfacher Ausführung geerbt, merkt er meist lange Zeit nichts davon. „Wir Lungenärzte empfehlen vor allem COPD-Patienten, sich einmal im Leben auf AATM testen zu lassen“, betont Köhler. Erste Hinweise auf den genetisch bedingten Mangel gibt bereits ein einfacher Bluttest beim Hausarzt: Liegt die Konzentration des Alpha-1-Antitrypsinim im Blutserum unterhalb eines bestimmten Grenzwertes, ist dies ein deutliches Indiz für AATM. Die genaue genetische Bestimmung des Mangels kann der Arzt dann beim Deutschen Alpha-1-Antitrypsinzentrum an der Universität Marburg veranlassen. AATM-Patienten können zusätzlich zu ihrer symptomatischen Behandlung eine so genannte Ersatztherapie erhalten, bei der das fehlende Protein dem Körper über eine wöchentliche Infusion zugeführt wird. Dadurch kann das Fortschreiten der Schäden gebremst werden und die Lebensqualität der Patienten bleibt länger erhalten.
Betroffene haben auch ein erhöhtes LungenkrebsrisikoDa Träger des Gendefektes weniger Alpha-1-Antitrypsin als normal bilden, können sie – falls sie rauchen - die Schadstoffe aus dem Tabakrauch noch schlechter abwehren als Gesunde. „Betroffene sind daher gegenüber den Krebs erregenden Inhaltsstoffen des Tabaks besonders empfindlich, haben ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko und sollten insofern unbedingt auf das Rauchen verzichten und auch Passivrauch möglichst meiden“, rät Köhler. „Genträger sollten außerdem regelmäßig ihre Lungenfunktion vom Arzt überprüfen lassen. Falls die Erbkrankheit nicht offensichtlich in der Familie liegt: Betroffen sind vornehmlich Menschen, in deren Familie bereits Fälle von Lungenkrebs oder COPD aufgetreten sind. Insbesondere diese Personen sollten sich auf AATM testen lassen.“