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Der erste Atemzug prägt das Immunsystem nachhaltig

Spezielle Signalstoffe, die beim ersten Atemzug nach der Geburt ausgeschüttet werden, prägen die Immunzellen der Lunge ein Leben lang und nehmen Einfluss auf die Bakterienabwehr. Das berichten Wissenschaftler aus Wien.

Mit dem ersten Atemzug entfalten sich die Lungen schlagartig, um mit der Sauerstoffaufnahme zu beginnen. Dabei strömen aber auch Schadstoffe und Mikroorganismen ein. Spezielle Abwehrsysteme versuchen daher die Lunge vor Schaden und Infektionen zu bewahren, ohne dabei den Gasaustausch zu beeinträchtigen. Dass und wie spezielle Signalstoffe - ausgelöst durch die erstmalige Lungenentfaltung - die Immunzellen der Lunge ein Leben lang prägen und Einfluss auf die Bakterienabwehr nehmen, haben jetzt Wissenschaftler des Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) und der Medizinischen Universität Wien näher aufgeklärt.

Die Lunge filtert über ihre etwa hundert Quadratmeter große Oberfläche mit jedem Atemzug lebenswichtigen Sauerstoff aus der Luft, während sie Kohlendioxid zum Ausatmen freigibt. Über 10.000 Liter Luft atmet ein erwachsener Mensch jeden Tag ein und aus. Viren, Bakterien und andere Schadstoffe der Luft müssen dabei davon abgehalten werden, sich in der Lunge einzunisten oder in den Körper einzudringen. Zu diesem Zweck besitzt die Lunge ein eigenes Arsenal an hochspezialisierten Immunzellen, die ein kompliziertes Gleichgewicht zwischen ständiger Abwehrbereitschaft und Eindämmung überbordender Immunreaktionen aufrechterhalten. Wie sich diese fein abgestimmte Homöostase nach der Geburt einstellt, war bisher kaum erforscht.

Die Forschungsgruppe von Sylvia Knapp, Direktorin für Medizinische Angelegenheiten am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Professorin für Infektionsbiologie an der Medizinischen Universität Wien, konnte nun an Mäusen zeigen, dass direkt nach dem ersten Atemzug entscheidende Signale gesetzt werden, die zu tiefgreifenden Veränderungen in der Lunge führen (siehe Cell Reports 2017, Band 18/8, Seite: 1893-1905).

Nach Angabe der Studienautoren führt die Aufblähung der Lunge beim ersten Atemzug zu einer Ausschüttung des Zytokins Interleukin (IL)-33. Daraufhin werden spezielle weiße Blutkörperchen - sogenannte lymphoide Typ-2 Zellen (ILC2) - aktiviert und wandern in die Lunge ein. Dort schütten sie ein weiteres Signalmolekül (Il-13) aus, das schließlich die wichtigsten Immunzellen in den Atemwegen, die Alveolarmakrophagen, für ihre spezielle Aufgabe in der Lunge vorbereitet.

„ILC2-Zellen spielen eine wichtige Rolle in der Abwehr von Parasiten oder Influenza-Viren, ihre Bedeutung für die Homöostase der Lunge war bisher aber nicht bekannt“, erklärt die Erstautorin Simona Saluzzo, PhD-Studentin am CeMM und der MedUni Wien. „Jetzt erst verstehen wir, dass ILC2 unmittelbar nach der Geburt wichtige Instruktionen an Alveolarmakrophagen weiterleiten, damit diese Entzündungen eindämmen und die Immunantwort drosseln, um sicherzustellen, dass die Lungen für den Gasaustausch intakt und gesund bleiben“.

Dieser Mechanismus schützt zwar vor überschießenden Entzündungsprozessen – birgt jedoch auch Risiken, betont Sylvia Knapp. „Wir konnten in dieser Studie zeigen, dass die von uns beschriebenen Mechanismen zwar essentiell sind, um unmittelbar nach der Geburt eine Beruhigung des Immunsystems der Lunge zu erreichen. Gleichzeitig erhöhen sie aber auch die Anfälligkeit für Infektionen mit z.B. Pneumokokken.“ Das erkläre, warum durch Bakterien verursachte Lungenentzündungen die häufigste Todesursache durch eine Infektion in der westlichen Welt darstellen.

Quelle: Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM)