Lungenärzte im Netz

Ihre Experten für gesunde Atemwege

Herausgeber:

Dem Krebs auf die Bremse treten

Ein Klassiker der medizinischen Grundlagenforschung – die so genannte Warburg-Hypothese – konnte kürzlich von Jenaer Wissenschaftlern bewiesen werden. Demnach lassen sich Krebszellen, die zur Zellatmung gezwungen werden, in ihrem Wachstum bremsen.

Was Krebszellen von gesunden Zellen unterscheidet – darüber existiert bereits seit mehr als achtzig Jahren eine Vorstellung: Die so genannte Warburg-Hypothese besagt, dass Krebszellen weniger Zellatmung betreiben als gesunde Zellen. Denn sie gewinnen ihre Energie aus einem als Gärung bezeichneten Stoffwechselvorgang, der ohne Sauerstoff abläuft. Ganz im Gegensatz zu gesunden Zellen, bei denen die Energiegewinnung mit Hilfe von Sauerstoff in den Kraftwerken der Zelle (Mitochondrien) durch den vollständigen Abbau von Energieträgern (Glucose) über die so genannte Atmungskette stattfindet. Nur bei Sauerstoffmangel – den zum Beispiel ein untrainierter Muskel bei plötzlicher körperlicher Anstrengung erfährt – stellen sich gesunde Körperzellen auf die Gärung um. Diese Hypothese wurde 1924 von Otto Heinrich Warburg aufgestellt, einem berühmten Physiologen, der im Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut den Mechanismus der Zellatmung erforschte, wofür er 1931 den Medizin-Nobelpreis erhielt. Er ging davon aus, dass der für Krebszellen typische Stoffwechselweg nicht nur ein Kennzeichen, sondern auch die Ursache für das aggressive Wachstum von Tumoren ist. Nun ist es Forschern um Michael Ristow vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung der Universität Jena und der Berliner Charité gelungen, Warburgs Theorie zur Krebsentstehung zu beweisen – und zwar in einem Umkehrschluss: Durch Unterdrückung der Zellatmung konnten sie bislang unauffällige Zellen dazu antreiben, sich tumorartig zu vermehren. Diesen Nachweis war Otto Warburg noch schuldig geblieben, wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Journal of Biological Chemistry berichten.

Ristow und seine Kollegen hatten menschliche Dickdarmkrebszellen genetisch so verändert, dass sie ungewöhnlich große Mengen an einem bestimmten Eiweißstoff bilden – Frataxin, ein Protein, das an der Zellatmung beteiligt ist. Dadurch zwangen sie die Krebszellen quasi, sich zur Energiegewinnung von Gärung auf Zellatmung umzustellen. Die veränderten Krebszellen wuchsen daraufhin im Reagenzglas deutlich langsamer heran und bildeten in abwehrgeschwächten Mäusen wesentlich kleinere Tumorherde aus als unveränderte Krebszellen. In einer früheren Veröffentlichung hatte das Forscherteam um Ristow bereits gezeigt, dass durch die Blockade von Frataxin in den Leberzellen von Mäusen der oxidative Stoffwechsel (also die Zellatmung) in der Leber zurückgefahren wird, was vielfach zur Bildung von Lebertumoren führt. „Offenbar wirkt Frataxin in gesunden Zellen wie ein Tumorsuppressorgen – es unterdrückt also die Entstehung von Krebs“, erklärt Ristow. Insofern wäre es denkbar, zur Bekämpfung von Tumoren die Frataxin-Aktivität – und damit den Zellstoffwechsel – medikamentös zu beeinflussen. Mit der Suche nach entsprechenden Wirkstoffen wollen die Jenaer Forscher nun beginnen. Noch offen bleibe, ob die Unterdrückung der Zellatmung tatsächlich Tumore neu entstehen lässt oder lediglich deren Wachstum fördert. „Das ist letztendlich aber eigentlich von untergeordneter Bedeutung“, meint Ristow. „Denn wir gehen heute davon aus, dass jeder ältere Mensch einige Krebszellen in sich trägt. Diese bleiben aber unbemerkt, solange es sich um winzige, langsam wachsende Tumoren handelt. Denn dann stören sie die gesunden Körperfunktionen nicht, verursachen keine Schmerzen und sind auch noch nicht tastbar. Entscheidend ist vielmehr die Wachstumsgeschwindigkeit der Krebszellen, denn diese bestimmt darüber, ob man krebskrank wird oder nicht.“ Dieses Tempo zu drosseln, könne daher womöglich ein wichtiger Bestandteil künftiger Therapien werden, so Ristow.

Quelle: Journal of Biological Chemistry, Band 281, Seite 977.
Zusammenfassung (abstract)