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Aktueller Stand der Impfung gegen Grippe und Schweinegrippe

Einen Überblick über die aktuellen Daten zur Entwicklung, Wirksamkeit und Verträglichkeit der Impfstoffe gegen saisonale Grippe und die Neue Grippe (Mexiko- bzw. Schweinegrippe) gab Prof. Schaberg vom Diakoniekrankenhaus Rotenburg auf einer Pressekonferenz im Rahmen des diesjährigen Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Hannover.

Bei den Impfstrategien gegenüber der Influenza ist zwischen der saisonalen Grippe (humane Influenza) und der Neuen Grippe (pandemische Influenza A (H1N1) – im Volksmund auch Schweinegrippe genannt ) zu unterscheiden. Bei der saisonalen Influenza-Impfung wird in der Regel gegen Antigendrift-Varianten geimpft. Dies bedeutet, dass eine Grundimmunität durch vorherige Impfungen oder abgelaufene Infektionen bereits vorhanden ist. Bei der Impfung gegen die pandemische Influenza A handelt es sich hingegen um eine Impfung gegen ein Virus, das einen Antigenshift durchlaufen hat. Eine Grundimmunität ist in dieser Situation bei Personen, die jünger als 60 Jahre als sind, nicht vorhanden gewesen. Ziel der Impfung war also die Vermittlung einer Grundimmunität.

Risikogruppen

Ein weiterer Unterschied zwischen der saisonalen und der pandemischen Influenza liegt in den Risikogruppen. Während die saisonale Grippe eine hohe Morbidität und Mortalität in der Population der über 65-Jährigen und insbesondere in der Population der über 75-Jährigen erzeugt, ist ein Risiko für schwere Verläufe oder Tod bei der pandemischen Influenza A insbesondere bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegeben.

Impfstofftypen

Für die Impfung gegenüber der saisonalen Influenza stehen 3 Vakzinetypen zur Verfügung. Die am häufigsten eingesetzte Vakzine ist die trivalente Spaltvirus-Vakzine. Sie wird überwiegend im Brutei-Herstellungsverfahren produziert. Daneben gibt es bereits seit vielen Jahren eine mit MF59.1 adjuvantierte trivalente Spaltvirus-Vakzine. In den USA wird bei Kindern zusätzlich ein Ganzvirusimpfstoff verwenden. Hierbei handelt es sich um ein Kälte-attenuiertes rekombinantes Influenzavirus.

Effektivität der Impfung

Die Effektivität der Influenza-Impfung bei gesunden Erwachsenen ist mit 70 – 80 % hoch. Bei der Risikopopulation der über 65-Jährigen jedoch mit 40 – 60 % deutlich geringer. Insofern ist es lohnenswert, über Alternativen für diese Risikopopulation nachzudenken. Strategien um zu einer besseren Impfantwort bei älteren Menschen zu kommen, umfassen einerseits die Verabreichung des Impfstoffes in die Haut (intradermale Gabe) und andererseits die Gabe von adjuvantierten Impfstoffen, die einen Wirkstoffverstärker (Adjuvans) enthalten.

Wirkstoffverstärker (Adjuvans)

In dem engen zeitlichen Fenster, in dem letzte Jahr die Entwicklung einer pandemischen Influenza A (H1N1)Virus-Vakzine notwendig war, musste man von der Grundannahme ausgehen, dass die Antigenproduktionsmenge weltweit limitiert ist. Insofern ist aus den Erfahrungen mit Impfstudien gegenüber dem H5N1-Vogelgrippevirus auf das Konzept einer adjuvantierten Impfung zurückgegriffen worden. Der in Deutschland überwiegend eingesetzte Impfstoff (Pandemrix) enthält ein Squalenbasiertes Adjuvans mit der Bezeichnung AS03. Unter Einsatz dieses Adjuvans war es möglich, die notwendige Antigenmenge für die Grundimmunisierung auf 3,75 μg zu begrenzen. Die mit einer einzigen Impfung beim Erwachsenen erreichten Serum-Konversionsraten betragen für Pandemrix zirka 95 % und die Serum-Protektionsrate wird mit mehr als 98 % angegeben. Der Serum-Konversionsfaktor mit 42 ebenfalls sehr hoch.

Verträglichkeit

Seit Beginn der pandemischen Influenzavirus-Impfung sind zirka 7 Millionen Dosen in Deutschland verimpft worden. Unerwünschte Wirkungen wurden dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bis Ende Januar bei 1.377 Personen übermittelt. Es handelt sich um insgesamt 3.518 Ereignisse. Die überwiegende Anzahl dieser Ereignisse betrifft die deutlich verstärkte Lokalreaktion des adjuvantierten Impfstoffes gegenüber der trivalenten Spaltvirus-Vakzine des saisonalen Impfstoffes sowie eine vermehrte Rate von vorübergehenden systemischen Reaktionen im Sinne von Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit und Mattigkeit. Die berichteten schwerwiegenden, unerwünschten Arzneimittelwirkungen von Pandemrix zeigen keine Unterschiede zu den Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), die das PEI zu den saisonalen Impfstoffen seit dem Jahre 2000 erhalten hat. Insofern ist bisher, im Gegensatz zu den weit verbreiteten Befürchtungen, von einer guten Verträglichkeit der adjuvantierten Pandemievakzine auszugehen.

Aktuelle Aspekte der A(H1N1)-Epidemie 2009

Das Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA schätzt, dass im Jahre 2009 ca. 47 Millionen US-Amerikaner an der Neuen Grippe erkrankt sind. 16 Millionen Personen im Alter bis zu 17 Jahren, 27 Millionen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren und 4 Millionen im Alter von 65 oder mehr Jahren. Insgesamt hat es nach den Schätzungen des CDC in den USA im Jahre 2009 ca. 213.000 Krankenhausbehandlungen (Hospitalisierungen) gegeben, davon knapp 192.000 im Alter bis zu 65 Jahren und 21.000 im Alter von 65 und mehr Jahren. Zirka 10.000 Patienten sind nach diesen Daten an der Neuen Grippe verstorben.

Die Verteilung der Todesfälle auf die Altersklassen sieht wie folgt aus:
0 - 17 Jahre: ca. 1.100 Personen
18 – 64 Jahre: ca. 7.500 Personen
älter als 65 Jahre: ca. 1.280 Personen

Ebenfalls aus den USA liegen Daten vor, die zeigen, dass die Häufigkeit der Arztbesuche (Konsultationsfrequenz) wegen Influenca-Like Illness (ILI) im Herbst und Winter 2009 deutlich über den Daten der Jahre 2006 – 2008 lag. Besonders besorgniserregend in den USA war die Tatsache, dass im Jahre 2009 221 Kinder unter 5 Jahren einer Infektion mit der Neuen Grippe erlegen sind. Dies ist eine deutlich höhere Zahl als in den vorausgegangenen Influenza-Saisons 2006 – 2009 (78, 88 bzw. 130 Todesfälle).

Ähnliche Daten finden sich auch in Argentinien, wo die Anzahl der an Neuen Grippe verstorbenen Kinder zwischen dem 6. Lebensmonat und dem ersten Lebensjahr 10 pro 100.000 betragen hat. Insgesamt war die Sterblichkeit der Kinder an der Neuen Influenza in Argentinien mit einer Rate von 1,1 pro 100.000 vielfach höher als in der Influenza-Saison 2007 (0,1 pro 100.000).

Fälle in Deutschland

Auch in Deutschland ist es zwischen der 42. und 53. Woche zu einer ausgeprägten Influenza-Epidemie mit dem neuen Grippevirus gekommen. Der Höhepunkt lag in der 47. Woche. Bis Anfang 2010 sind dem Robert-Koch-Institut insgesamt 216.818 Fälle an Neuer Influenza gemeldet worden. Die Gesamtzahl der aufgetretenen Fälle (Gesamtinzidenz) lag dabei bei 202 pro 100.000. Wie auch in Nord- und Südamerika waren von der Neuen Influenza insbesondere Kinder und Jugendliche betroffen. So lag die Inzidenz in der Gruppe der 0- bis 1-Jährigen bei 229 pro 100.000, in der Gruppe der 2- bis 4-Jährigen bei 371, in der Gruppe der 5-bis 14-Jährigen bei 829 und in der Gruppe der Patienten ab dem 60. Lebensjahr bei 12 pro 100.000. Ende 2009 ging die erste Welle der Influenza-Epidemie mit konstanter Mensch-zu-Mensch-Übertragung zu Ende.

Auf dem Höhepunkt der Influenzawelle war ein großer Teil der in den Laboratorien identifizierten Influenzaviren der Gruppe der neuen A(H1N1) zuzuordnen. Die höchste Nachweisrate des Virus fand sich in der Gruppe der 5- bis 14-Jährigen mit 64 % aller eingesandten Proben. In Deutschland sind dem Robert-Koch-Institut bis zum Januar 2010 knapp 200 Todesfälle an Neuer Influenza übermittelt worden. Die überwiegende Mehrheit der verstorbenen Patienten litt an einer relevanten Grunderkrankung.

Weltweiter Verlauf der Influenza-Pandemie

Im weltweiten Maßstab zeigte sich nach der Sommerwelle in den USA, Südamerika und Australien eine rasche Ausweitung der Influenza-Pandemie in den Wochen bis zum November 2009. Weltweit waren im Dezember 2009 die Influenza-Infektionsraten in Europa und dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion rückläufig, wohingegen sie in den USA, Kanada, Südamerika und Indien hoch blieben. Ein wesentlicher Faktor, der dafür verantwortlich ist, dass trotz der rasanten Ausbreitung des neuen Virus relativ wenige Menschen durch die Infektion schwerkrank geworden sind bzw. verstorben sind, liegt sicherlich in der Tatsache, dass das neue Influenzavirus zu einer Linie niedrig-pathogener (d.h. weniger krank machenden) Influenzaviren gehört. Dies konnte im Vergleich genetischer Virulenzmarker mit hoch pathogenen Influenzaviren im Sommer 2009 gezeigt werden.

Ausblick

Der weitere Verlauf der Epidemie mit dem neuen Influenzavirus ist nicht vorhersehbar. Aus der Erfahrung früherer pandemischer Virusinfektionen wissen wir jedoch, dass mehrere Wellen der Infektion stattfinden können. Es bleibt ebenso abzuwarten, ob es dem neuen Influenzavirus gelingt, die saisonalen Viren komplett zu verdrängen. Nach wie vor besteht auch die Gefahr, dass Mutationen des neuen Influenzavirus zu einer höheren Pathogenität führen können.

Autor: Prof. Tom Schaberg (Diakoniekrankenhaus Rotenburg)