Tuberkulose ist nach wie vor eine der wichtigsten Infektionskrankheiten. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben weltweit jährlich über 1,8 Millionen Menschen daran. Auch in Deutschland erkranken etwa 4.500 Personen pro Jahr neu an einer Tuberkulose. Obwohl die Krankheit mit Antibiotika behandelt werden kann, gilt die zunehmende Unempfindlichkeit gegenüber Medikamenten (Medikamentenresistenz) des Bakteriums M. tuberculosis, dem Erreger der menschlichen Tuberkulose, als eine ernsthafte Bedrohung. Zwar erweisen sich Antibiotika-resistente Bakterien oft als weniger potent (virulent) als empfindliche Erreger, da die Genveränderungen (Mutationen), die zu den Resistenzen führen, ihren normalen Stoffwechsel beeinträchtigen. Trotzdem wird seit ein paar Jahren weltweit ein starker Zuwachs von multiresistenten Tuberkulosebakterien beobachtet.
Eine mögliche Erklärung für die erfolgreiche Verbreitung dieser Bakterien haben jetzt Wissenschaftler um Sébastien Gagneux vom Tropen- und Public Health Institut (SwissTPH) in Basel und Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel, der auch Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung ist, offenbar gefunden: Sie haben bei multiresistenten Tuberkulosebakterien so genannte kompensatorische Mutationen entdeckt, die zur einer Verbesserung der Fitness multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger beitragen, ohne dabei zu einem Verlust der Resistenz gegen Antibiotika zu führen (siehe Nature Genetics, Online-Vorabveröffentlichung am 18.12.11). Diese Kompensationsmutationen fanden sie in einem Enzym vor, das die Verdopplung der Gensubstanz bewerkstelligt (RNA-Polymerase).
Die Analyse einer großen Anzahl klinisch isolierter Tuberkulosebakterien zeigte, dass Kompensationsmutationen in jenen Ländern am häufigsten auftreten, in denen auch das Problem der multiresistenten Tuberkulose am größten ist. „Dies deutet darauf hin, dass diese Kompensationsmutationen bei der Übertragung multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger generell eine wichtige Rolle spielen”, so Stefan Niemann. „Bislang wurde angenommen, dass die weltweite Zunahme der multiresistenten Tuberkulose vor allem auf Probleme in den Gesundheitssystemen zurückzuführen ist. Unsere Resultate deuten nun darauf hin, dass auch biologische Faktoren der Erreger eine Rolle spielen“, erläutert Sébastien Gagneux.
In weiterführenden Studien in Borstel wird nun die Verbreitung von multiresistenten Bakterienstämmen mit besonders hoher Fitness durch kompensatorische Mutationen in Ländern mit vielen Tuberkulose-Fällen untersucht. Diese Erkenntnisse sollen es ermöglichen, bisherige Kontrollstrategien entsprechend anzupassen, um der Verbreitung von besonders virulenten und multiresistenten Tuberkulosestämmen entgegenzuwirken.
Quelle: Universität Basel