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Vorhersage des COVID-19-Verlaufs könnte Gesundheitssystem entlasten

Patienten, denen ein günstiger COVID-19-Krankheitsverlauf bevorsteht, könnten früher als bisher üblich aus den Kliniken entlassen werden, wodurch das Gesundheitssystem - bis zum Erreichen einer ausreichenden Durchimpfungsrate - entlastet werden könnte.

Ein wesentliches Anliegen in der Covid-19-Pandemie ist die optimale, individuelle Patientenversorgung, während parallel dazu ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems verhindert werden muss. Eine Besonderheit der durch SARS-CoV-2 ausgelösten Erkrankung ist, dass es oft erst nach sieben bis zehn Tagen Krankheitsdauer zu einer drastischen Verschlechterung des Krankheitsbildes kommt. Um diese Phase zu berücksichtigen, werden Patienten auch bei einem vergleichsweise milden Krankheitsverlauf erst nach längerer Aufenthaltsdauer aus dem Krankenhaus entlassen. Die Behandlung derartiger COVID-19 Patienten bindet allerdings – unter anderem auch durch das Infektionsrisiko für das Personal – Ressourcen, die für andere hospitalisierte PatientInnen dringend benötigt werden. „Obwohl unser Wissen über das Virus täglich zunimmt, gibt es bisher keine zuverlässigen Entscheidungshilfen für eine frühzeitigere Entlassung“, betont Alice Assinger vom Institut für Gefäßbiologie und Thromboseforschung des Zentrums für Physiologie und Pharmakologie der MedUni Wien. 

Ein Team von Wissenschaftlern der MedUni Wien unter der Leitung von Alice Assinger entwickelte nun ein Modell, welches günstigere Krankheitsverläufe von hospitalisierten COVID-19-PatientInnen mit hoher Treffsicherheit prognostiziert (siehe The Preprint Sever of Health Sciences MedRxiv, Online-Vorabveröffentlichung am 22.12.2020). Das Besondere dieses Modells ist, dass es ausschließlich auf ohnehin in der klinischen Routine erhobenen Parametern beruht und somit keine technisch aufwändigen zusätzlichen Laborbestimmungen notwendig sind.

Klinikärzte können ab sofort die bei ihren Patienten erhobenen Parameterwerte in einen frei verfügbaren Online-Rechner eingeben und haben damit ein Werkzeug an der Hand, das ihre Entscheidung über den Zeitpunkt einer möglichen Entlassung wesentlich unterstützt. Das dem Tool zugrundeliegende mathematische Modell wurde von Stefan Heber vom Institut für Physiologie am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie MedUni Wien entwickelt und beruht auf wiederholten Messungen des Entzündungsmarkers „C-reaktives Protein“, des die Nierenfunktion widerspiegelnden Markers „Kreatinin“, sowie der Anzahl der Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut.

Aus Ableitungen der Verläufe dieser Parameter innerhalb der ersten vier Krankenhausaufenthaltstage kann zusammen mit zusätzlichen Parametern wie etwa dem „Alter der PatientInnen“ sowie der Information zur Körpertemperatur bei Klinikaufnahme mit hoher Treffsicherheit ein günstiger Krankheitsverlauf vorhergesagt werden. „Dies funktioniert unabhängig davon, wie lange die Symptome vor Aufnahme ins Spital schon angedauert haben“, erklärt Studien-Erstautor Stefan Heber. Für die Entwicklung dieses ACCP-Tools (Age+C-reactive protein+Creatinine+Platelet) wurden die Daten von 441 PatientInnen aus drei verschiedenen Zentren herangezogen und das entwickelte Modell anschließend anhand der Daten von 553 PatientInnen von drei weiteren unabhängigen Kohorten validiert.

„Wichtig für uns war, das ACCP-Tool möglichst rasch für die Anwendung in der klinischen Routine zur Verfügung zu stellen. Das Tool sollte dazu beitragen, die angespannte Situation des österreichischen Gesundheitssystems zu entlasten, bis eine adäquate Durchimpfungsrate der Bevölkerung erreicht ist“, berichtet Heber.

Quelle: Medizinische Universität Wien