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Unterversorgung von Allergiepatienten in Deutschland befürchtet

Vor einer dramatischer Unterversorgung von Allergiepatienten in Deutschland warnen Allergologen anlässlich des Deutschen Allergiekongresses in Bochum und fordern eine bessere Aufklärung über die Risiken unbehandelter Allergien und mehr Förderung der Asthmaprävention.

Bei der Behandlung von Menschen mit allergischen Erkrankungen bestehen dramatische Versorgungslücken. Nur jeder 20. Asthmatiker und jeder 14. Heuschnupfen-Patient erhält eine ursächliche Therapie durch die sogenannte Hyposensibilisierung. Diese Daten, basierend auf einer im Dezember 2012 abgeschlossenen Studie von Prof. Dr. Jürgen Wasem an der Universität Duisburg-Essen, standen auch im Mittelpunkt des 8. Deutschen Allergiekongresses, der vom 5. bis 7. September in Bochum stattfand.

Das Oberthema „Allergie und Umwelt“ und die Ergebnisse der Duisburger Versorgungsstudie gaben dem Kongress besondere Brisanz. In den vergangenen Jahren ist das Auftreten allergischer Erkrankungen besonders in den westlichen Industriestaaten gestiegen. Das gilt für Heuschnupfen genauso wie für atopische Ekzeme (Neurodermitis) und für Asthma bronchiale. Gerade beim Asthma bronchiale sei neben der Zunahme der Allergiehäufigkeit auch eine Zunahme des Schweregrades der Erkrankungen zu verzeichnen, so die Kongresspräsidenten Prof. Dr. Eckard Hamelmann, Direktor der Universitätskinderklinik Bochum und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI), und Prof. Dr. Monika Raulf-Heimsoth, Leiterin des Kompetenz-Zentrums Allergologie – Immunologie des Institutes für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA) an der Ruhr-Universität Bochum.

Welche Rolle dabei Verkehrsemissionen wie Feinstaub, Innenraumbelastungen, Schadstoffe am Arbeitsplatz oder der Klimawandel spielen, wurde in Seminaren und Workshops des Kongresses diskutiert. Prof. Dr. Eckard Hamelmann: „Allergien sind zur Volkskrankheit geworden. Obwohl jeder fünfte Mensch im Laufe seines Lebens von einer allergischen Erkrankung betroffen ist, wird das Risiko einer Allergie vielfach bagatellisiert – sowohl von den Betroffenen oder ihren Angehörigen als auch von den behandelnden Medizinern.“

Diese Position wird durch die Ergebnisse der Duisburg-Essener Versorgungsstudie gestützt. Im Auftrag des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (AeDA) wertete Prof. Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen die Daten von 40 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich der Behandlung bei Allergien aus. Untersucht wurden die Abrechnungsziffern, die bei den Themen Allergie und Asthma zur Abrechnung bei der Krankenkasse eingereicht wurden. AeDA-Vizepräsident Prof. Dr. Ludger Klimek, Wiesbaden: „Das Ergebnis bestätigt für uns eine dramatische Unterversorgung von Allergikern in Deutschland mit der einzig ursächlich wirksamen Therapie. Das gilt vor allem für die Allergie-Impfung, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO und den nationalen Leitlinien empfohlen wird, um eine Asthmaentwicklung zu verhindern.“ Die Gründe für die Unterversorgung seien vielfältig, so Prof. Dr. Klimek. Zu nennen sei u.a. ein schlechtes Honorarsystem, die Furcht vor Arzneimittel-Regressen, die Zersplitterung der Allergologie auf verschiedene Facharztgruppen sowie die wegen der demografischen Entwicklung sinkende Zahl allergologisch behandelnder Ärzte.

Vor einer „dramatischen Unterversorgung“ von Patienten mit allergischen Erkrankungen warnt auch die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI). DGAKI-Präsident Prof. Dr. Harald Renz: „Es fehlt nach wie vor eine verbindliche Verankerung der Allergologie im Medizinstudium. Es bleibt heute dem lokalen und regionalen Zufall überlassen, ob ein Medizinstudent im Bereich der Allergologie ausgebildet wird oder nicht.“ Darüber hinaus stellt die DGAKI aktuell einen bedenklichen Einbruch an qualifizierten Weiterbildungsaktivitäten im Bereich der Allergologie fest. Dies beruhe zum Teil auf einem Mangel an Rotationsstellen zur allergologischen Weiterbildung, zum anderen fehlen in der Spitzenmedizin allergologische Professuren in Deutschland.

Das kann besonders für erkrankte Kinder gefährliche Folgen haben. Fast jeder zweite Jugendliche in Deutschland hat heute ein erhöhtes Risiko für eine spätere allergische Erkrankung. Bereits heute sind 25 Prozent aller Kinder und Jugendlichen von einer Allergie betroffen. „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass es sich bei allergischen Erkrankungen um lästige, aber eher harmlose Erkrankungen handelt. Allergien gegen Insektengift oder Nahrungsmittel können lebensbedrohlich sein“, sagt Prof. Dr. Carl-Peter Bauer, Vizepräsident der Gesellschaft für pädiatrische Allergologie (GPA). Leider würden Kinder oft falsch oder untertherapiert, besonders in Notfallsituationen. Bereits im frühen Kindesalter müsse die Prävention beginnen, so Prof. Dr. Bauer: „Nach wie vor ist als erste Maßnahme das ausschließliche Stillen in den ersten vier Lebensmonaten zu nennen.“

Für die Spitzenverbände der Allergologie signalisieren die Ergebnisse der Versorgungsstudie dringenden Handlungsbedarf, um das Versorgungsdefizit dauerhaft zu beenden. Ein erstes Ergebnis ist die Gründung der ersten übergreifenden allergologischen Interessengemeinschaft unter der Bezeichnung „Aktionsforum Allergologie“. Zusammengeschlossen darin sind wissenschaftliche Gesellschaften, Berufsverbände und Industriepartner.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie