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Übertragen Dromedare gefährliche Virusinfektion?

Möglicherweise sind Dromedare an der Übertragung von MERS-Coronaviren beteiligt, die mit dem SARS-Virus verwandt sind und beim Menschen lebensgefährliche Atemwegsinfektionen hervorrufen können. Im Mittleren Osten sind bislang 46 Menschen an der Erkrankung gestorben.

In Dromedaren wurden Antikörper gegen das MERS-Coronavirus gefunden – das berichtet ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Universitätsklinikums Bonn (siehe The Lancet Infectious Diseases, Online-Vorabveröffentlichung am 9.8.13). Der Erreger ist mit dem SARS-Virus verwandt und kann beim Menschen lebensgefährliche Atemwegsinfektionen hervorrufen. Im Mittleren Osten sind bislang 46 Menschen an der Erkrankung gestorben.

Das MERS-Coronavirus wurde erstmals 2012 in Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion identifiziert. Das Kürzel steht für „Middle East Respiratory Syndrom“, da alle bisherigen Fälle einen Bezug zum Mittleren Osten hatten. Bislang wurden der Weltgesundheitsorganisation WHO 91 Erkrankungen gemeldet, 46 davon mit tödlichem Ausgang. Die Dunkelziffer ist aber vermutlich höher: Experten gehen davon aus, dass es eine Vielzahl unentdeckter Fälle gibt und mehr als tausend Menschen betroffen sein könnten.

Über die Ansteckungswege herrscht noch Unklarheit. Die neue Studie deutet jedoch auf Dromedare als mögliche Übertragungsquelle hin: Die Virologen haben insgesamt 50 Proben dieser Tiere aus verschiedenen Herkunftsgebieten im Oman getestet. Das Sultanat gilt als MERS-Risikogebiet, auch wenn hier bislang noch keine menschlichen Infektionen nachgewiesen wurden.

Bei ihren Analysen fanden die Wissenschaftler im Blut sämtlicher Tiere Antikörper gegen das MERS-Virus. Das Immunsystem bildet Antikörper, wenn es mit Krankheitserregern in Kontakt kommt. Die getesteten Dromedare scheinen also eine MERS-Virusinfektion durchlaufen zu haben. Die hohen Antikörperkonzentrationen sprechen zudem für eine relativ frische Ansteckung. Die Forscher konnten das Virus selbst allerdings nicht nachweisen. „Für unsere Tests standen größtenteils nur Blutproben zur Verfügung“, bedauert Dr. Marcel Müller vom Institut für Virologie der Universität Bonn. „Coronaviren befinden sich jedoch vor allem in Atemwegssekreten und im Kot.“

Die Forscher untersuchten auch 105 Dromedarproben von den Kanarischen Inseln. In 15 Fällen konnten sie dabei ebenfalls MERS-Antikörper nachweisen, allerdings in weit geringeren Konzentrationen. In 160 Blutproben von Rindern, Schafen und Ziegen aus den Niederlanden, Spanien und Chile wurden sie dagegen nicht fündig.

Dromedare sind im Mittleren Osten weit verbreitet. Sie transportieren schwere Lasten und dienen als Milch- und Fleischlieferanten. Zudem werden spezielle Renn-Dromedare in Wettbewerben eingesetzt. MERS-infizierte Tiere könnten durch ihren engen Kontakt zum Menschen zumindest für einen Teil der bisherigen menschlichen Erkrankungen verantwortlich sein. Es kommen aber weiterhin auch Ziegen und andere Nutztiere als Übertragungsquelle in Betracht.

„In nächster Zeit sollten dringend umfangreiche Untersuchungen an Nutztieren aus der Region stattfinden. Um weitere mögliche Infektionsquellen zu finden, benötigen wir unbedingt mehr Proben“, appelliert Müller an die betroffenen Länder. Nur so sei es möglich, den genauen Übertragungsweg des Virus zu klären.

Als eigentliches Virenreservoir vermuten die Wissenschaftler derzeit Fledermäuse. Die Dromedare seien mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein Zwischenwirt. Bisherige Erbgutanalysen sprechen dafür, dass der MERS-Erreger nahe mit zahlreichen anderen Fledermausviren verwandt ist. Dass sich Menschen direkt bei Fledermäusen anstecken, hält Müller aber für unwahrscheinlich, da direkte Kontakte eher selten sind.

Relativ klein ist momentan auch das Risiko einer Übertragung von Mensch zu Mensch. Die WHO schätzt den so genannten R0-Wert auf 1 oder geringer, d.h. ein Patient steckt im Schnitt maximal eine weitere Person an. Ein Schneeballeffekt mit einer explosionsartigen Zunahme von Krankheitsfällen könne so nicht entstehen. Das könnte sich allerdings ändern, wenn sich der Erreger durch entsprechende Gen-Mutationen verändern sollte.

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn