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Rippenfellkrebs oft durch Asbest verursacht

Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland mehr Todesfälle durch Asbestbelastungen als tödliche Arbeitsunfälle. Zwar wurde die krebsauslösende Wirkung von Asbest bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts erkannt. Erst seit 1970 aber wird die Asbestfaser offiziell als krebserzeugend bewertet. 1979 erfolgte ein Verbot von Spritzasbest, seit 1993 ist in Deutschland die Herstellung und Verwendung von Asbest verboten. Seit 2005 gibt es ein EU-weites Verbot.

Die Gefahr von Asbest besteht in der Freisetzung von Fasern, die kürzer als fünf μm sind. Fasern dieser Länge können beim Einatmen in die Lungenbläschen gelangen und bereits bei geringer Belastung eine Asbestose auslösen. Fresszellen (Makrophagen) in der Lunge können die Fasern aufgrund ihrer Länge nicht vollständig umschließen und abtransportieren. Stattdessen können die Nadeln durch die Lunge zum Rippenfell wandern. Die kritische Fasergeometrie ist also der Grund für die gesundheitsgefährdende Wirkung. Dies gelte entsprechend auch für Mineralwolle älterer Bauart, erläuterte Dr. med. Dr. rer. nat. Heribert Ortlieb aus Baden-Baden anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT) Ende September in Karlsruhe.

Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. In Verbindung mit weiteren Schadstoffen kann sich das Lungenkrebsrisiko noch vergrößern. Außerdem ist Asbest einer der wichtigsten Auslöser des Pleuramesothelioms, eines Tumors des Rippenfells. Die Zeit bis zum Ausbruch dieser Erkrankung (Latenzzeit) liegt zwischen 20 und 40 Jahren. Entsprechend können sich viele Patienten nicht mehr an eine Exposition erinnern. Die Diagnose wird oft sehr spät gestellt, Behandlungsmöglichkeiten bestehen in chirurgischen Maßnahmen, Chemotherapie und/oder Bestrahlung. Trotz aller Maßnahmen hat das Pleuramesotheliom immer noch eine sehr schlechte Prognose.

Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland mehr Todesfälle durch Asbestbelastungen als tödliche Arbeitsunfälle. Von 1996 bis 2005 stieg allein die Zahl der Verdachtsdiagnosen Pleuramesotheliom von 709 auf 1072. 2005 waren von 2484 Verstorbenen 1540 asbeststaubinduzierte Todesfälle, davon 770 mit Pleuramesotheliom. Dabei zeigt das Pleuramesotheliom durchgehend jährliche Steigerungsraten: 1987 gab es 194 anerkannte Erkrankungen mit Pleuramesothliom, 1997 waren es 554 und 2005 853.

Beim Lungenkrebs dagegen scheint ein Plateau erreicht: 1987 waren es 53 Fälle, 1997 693 und 2005 771, wobei die Zahlen die letzten acht Jahre ziemlich konstant waren. Die Aufwendungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) lagen 2005 bei 149,1 Millionen Euro für Erkrankungen mit Pleuramesotheliom und bei 149,4 Millionen Euro für Lungenkrebs. Besonders asbestbelastet sind Berufsgruppen wie zum Beispiel Schlosser, Schweißer, Installateure, Dachdecker, Bauarbeiter und viele andere in der Altersgruppe ab 50.

Asbest (aus dem Altgriechischen = unvergänglich) ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene, natürlich vorkommende, faserförmige Silikat-Minerale. Chrysotil, auch Weißasbest genannt, fand die meiste Anwendung. Asbest wurde auch Wunderfaser genannt, weil es hervorragende Eigenschaften besitzt: große Festigkeit, hitze- und säurebeständig, isolierend, webfähig. Die industrielle Nutzung von Asbest begann circa 1820 mit der Verarbeitung zu feuerfester Kleidung für Feuerwehrleute. Um 1900 setzte mit der Herstellung von Asbestzement (Eternit) ein Boom ein in der Verwendung von Asbest für unterschiedlichste Produkte zum Beispiel Dachwellplatten, Fassadenverkleidungen, Blumentröge, Postsäcke, Getränkefilter, Zahnpasta (als Polierzusatz). In Gebäuden wurden Stahlteile mit Spritzasbest zum Brandschutz versehen. Weitere Anwendungsgebiete waren Bremsbeläge und Dichtungen. Auf Schiffen wurde Asbest zur Dämmung eingesetzt. Die Verwendung war so umfangreich, dass die Werftarbeiter abends nach Hause gingen wie die Schneemänner.

Mit zunehmendem Verbrauch stiegen auch die Berichte über asbestbedingte Erkrankungen. Bereits frühzeitig um 1900 wurde die Asbestose als Krankheit beschrieben. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die krebsauslösende Wirkung von Asbest erkannt, aber erst seit 1970 wird die Asbestfaser offiziell als krebserzeugend bewertet. 1979 erfolgte ein Verbot von Spritzasbest, seit 1993 ist in Deutschland die Herstellung und Verwendung von Asbest verboten. Seit 2005 gibt es ein EU-weites Verbot. Trotzdem konnte die Industrie noch im Jahre 2009 38 Tonnen Asbest aus Kanada nach Deutschland importieren, allerdings unter dem Namen Chrysotil. Hierfür gibt es wohl eine Ausnahmeregelung, das Entsorgungsproblem wird dadurch aber nicht kleiner. Dass über hundert Jahre von der Erkenntnis der Gesundheitsgefährdung durch Asbest bis zum Verbot Materials vergingen, ist nach Angaben von Dr. Ortlieb vor allem intensiver Lobbyarbeit zuzuschreiben.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT)