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Neuer Behandlungsansatz für Tuberkulose

Tuberkulose-Bakterien sind teils schwer zu bekämpfen, weil sie gegen viele Antibiotika unempfindlich geworden sind und sich in menschlichen Zellen lange Zeit versteckt halten können. Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam hat nun einen Weg eingeschlagen, um neuartige Medikamente mit veränderten Angriffspunkten zu entwickeln.

Die Tuberkulose ist eine Infektionskrankheit, die von Bakterien (Mycobacterium tuberculosis) verursacht wird und Jahr für Jahr weltweit zwei Millionen Todesopfer fordert. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ist infiziert, und immer mehr Bakterienstämme entwickeln eine Unempfindlichkeit (Resistenz) gegen die derzeit verfügbaren Medikamente. Forscher der Außenstelle des „Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie“ (EMBL) in Hamburg und des „Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie“ (MPIIB) in Berlin haben nun die Struktur eines Eiweißstoffes entschlüsselt, die dem Bakterium sein Überleben in menschlichen Zellen ermöglicht und potentielle Ansatzpunkte für die Entwicklung neuartiger Antibiotika aufzeigt. „Gefährlich ist M. tuberculosis, weil es sich in den Immunzellen des menschlichen Körpers versteckt hält und dort überdauert“, erläutert Matthias Wilmanns, Leiter des EMBL. Die Wissenschaftler vermuteten schon länger, dass bestimmte Schlüsselmoleküle das Überleben des Bakteriums sichern. Daher untersuchten sie die Funktion verschiedener, bei Tuberkulose typischerweise vorkommender Eiweißstoffe (Proteine) und bestimmten deren atomaren Strukturen. Die Ergebnisse ihrer Suche nach neuen Hemmstoffen veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

„Vor allem bei akut infizierten Patienten mit Formen des Tuberkulose-Bakteriums, die bereits eine Resistenz gegen zahlreiche Wirkstoffe entwickelt haben, stießen wir auf ein auffälliges Protein namens LipB", berichtet Stefan Kaufmann, Direktor am MPIIB, der sich auf die Biologie des Tuberkelbakteriums und dessen Überlebensstrategien in Immunzellen spezialisiert hat. „Im Vergleich zu Gesunden fanden wir bei diesen Patienten eine 70-fach erhöhte Produktion von LipB vor, was ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass dieses Protein an der Entwicklung der Krankheit beteiligt ist“, erläutert Wilmanns. „Ein Strukturbild des Proteins – das ist eine Art technisches Diagramm des Eiweißstoff-Bauplans - gab uns dann wichtige Hinweise auf seine Wirkungsmechanismen. Demnach gehört LipB einem lebenswichtigen Signalweg im bakteriellen Organismus an, wobei M. tuberculosis über keinerlei Ausweichmechanismen zu verfügen scheint, welche die Rolle von LipB übernehmen könnten. Ein Hemmstoff, der diesen Signalweg blockiert, würde daher zentrale Prozesse lahm legen, ohne die das Bakterium nicht überleben oder sich vermehren könnte - eine sehr effektive Strategie für einen Wirkstoff.“ Die Forscher wollen nun gezielt nach Verbindungen suchen, die diese Rolle übernehmen können. „Die auf Strukturbildern basierende Arzneimittelforschung hat sich bereits bei zahlreichen anderen Krankheiten als großer Erfolg erwiesen. Jetzt wenden wir diese Instrumente auf die Tuberkulose an.“, fasst Wilmanns zusammen.

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) 2006, Band 103 (23), Seite: 8662-8667 Zusammenfassung (abstract)