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Neuer Angriffspunkt bei Grippe-Viren entdeckt

Einen neuen Mechanismus, um die Vermehrung des Grippe-Virus in der Wirtszelle zu stören, haben Braunschweiger Helmholtz-Forscher entdeckt. Dazu versuchen sie den Erreger an seinen unveränderlichen Bausteinen anzugreifen.

Jährlich sterben in Deutschland 10.000 bis 30.000 Menschen an einer Grippe, meist durch Viren des Typs Influenza A. Wissenschaftler des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben nun einen neuen Angriffspunkt gefunden, um die Vermehrung von Influenza-Viren während einer Infektion einzudämmen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Wissenschaftsmagazin Virology Journal (2010, Band 7, Seite 108).

Wirksame Medikamente gegen Virusinfektionen zu entwickeln ist ein schwieriges Unterfangen. Um antiviralen Wirkstoffen oder einer Abwehr durch das Immunsystem zu entgehen, ändert das Virus durch Mutationen ständig seine Oberfläche. Dadurch werden Viren auch schnell unempfindlich (resistent) gegen ein Arzneimittel. Forscher sind nun auf der Suche nach Wirkstoffen, die Viren an ihren empfindlichen Stellen treffen - den unveränderlichen Bestandteilen. Diese stabilen Bausteine sind für die Bildung neuer Viren wichtig und stehen in direkter Wechselwirkung mit der Maschinerie der Wirtszelle, da das Virus zur Ablesung seiner Gene auf den Wirt angewiesen ist. Damit sich ein Virus vermehren kann, muss es sein Erbgut freisetzen und in das der Wirtszelle einbringen. Dazu benötigt das Virus Hilfe durch bestimmte Zellproteine der Wirtszelle. Einen solchen Gehilfen findet es im z.B. so genannten Caveolin-1. Dieses Protein kommt unter anderem in Gefäßwandzellen des Wirtes vor.

In einer Datensuche am Computer identifizierten die Braunschweiger Forscher um Dr. Manfred Wirth aus der Abteilung Genregulation und Differenzierung nun das Influenza-Protein M2 als möglichen Interaktionspartner von Caveolin-1. Die Forscher benutzten dann ein in der Bindungsstelle mutiertes Caveolin-1 und brachten das veränderte Protein in Zellen ein, die sie anschließend mit Influenzavirus infizierten. Durch die dadurch verringerte Wechselwirkung zwischen M2 und Caveolin-1 störten sie den Virus dabei, sich zu vermehren. Das Ergebnis: Die Freisetzung neuer Viren verringerte sich um die Hälfte. Ebenso setzten infizierte Zellen, die nur wenig Caveolin-1 produzierten, deutlich weniger Viren frei als unveränderte Zellen.

„Indem wir verhinderten, dass M2 und Caveolin-1 interagieren, verringerte sich die Ausbreitung der Viren deutlich. Die körpereigene Abwehr sollte mit der stark reduzierten Virenzahl leichter fertig werden“, erläutert Wirth. Die Vorgänge innerhalb der Wirtszelle seien ein Erfolg versprechender Ansatzpunkt für neue Medikamente, da die Gegenstücke im Virus keinen Mutationen unterliegen und somit unverändert bleiben. „Bis zu einem neuen Medikament ist es aber noch ein weiter Weg. Als nächstes sollen Naturstoffe und Peptide, die am HZI als Sammlung vorliegen, auf eine mögliche Hemmung der Bindung von M2 und Caveolin-1 geprüft werden“, berichtet Wirth. Solch ein Stoff könne dann bei einer akuten Grippeerkrankung dem Immunsystem helfen, das Virus zu bekämpfen.