Im März 1882 berichtete Robert Koch erstmalig über den Erreger der Tuberkulose (TB): Mycobacterium tuberculosis. Zu jener Zeit ist etwa jeder siebte Mensch an Tuberkulose gestorben. Noch immer erkranken jährlich zehn Millionen Menschen an dieser Infektionskrankheit, und jeden Tag sterben etwa 4000 TB-Patienten. Eine medikamentöse Behandlung der Patienten ist langwierig und der Schutz durch eine Impfung nach wie vor unzureichend. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Tuberkulose-Erreger durch eine komplexe und für viele Stoffwechselprodukte (Moleküle) schwer überwindbare Zellwand geschützt sind. Dieser Eigenart verdanken die Mykobakterien ihre besondere Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen und antibakteriellen Substanzen. Deshalb sind die so genannten „säurefesten Stäbchen“ weltweit Gegenstand zahlreicher Forschergruppen.
Es ist schon länger bekannt, dass langkettige, fest gebundene Fettsäuren - die so genannten Mykolsäuren - zur Erhaltung der Widerstandsfähigkeit der Zellwand notwendig sind. Doch hatte man vom Aufbau der Zellhülle selbst 125 Jahre nach Kochs Entdeckung nur unvollständige und zum Teil widersprüchliche Vorstellungen. Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried konnten nun erstmalig direkt nachweisen, dass die äußere Zellwand der Mykobakterien doppelschichtig aufgebaut ist und aus einer klar strukturierten Lipid-Doppelmembran besteht. Ihre Untersuchungsergebnisse wurden im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht. Die am Institut entwickelte Technik der Kryo-Elektronen-Tomographie ermöglichte es den Wissenschaftlern erstmalig, 3D-Aufnahmen der Doppelmembran-Struktur bei intakten Zellen zu gewinnen. Damit kann jetzt auch die Einbettung der Porenproteine, deren molekulare Struktur bislang gar nicht zu den bekannten Zellwandmodellen gepasst hat, in die äußere Zellmembran des Tuberkulose-Erregers befriedigend erklärt werden. Nach Angaben des Leiters des Forschungsprojektes, Harald Engelhardt, wurde mit den jetzigen Ergebnissen eine wesentliche Voraussetzung für weitere Forschungsprojekte geschaffen. Nun können zum Beispiel gezielt Studien zum Stofftransport durch die äußere Zellembran der Tuberkulose-Erreger durchgeführt werden, die auch für die Entwicklung von Chemotherapeutika von Bedeutung sein werden. „Schließlich müssen die Medikamente möglichst gut durch die mykobakterielle Zellwand an ihren Wirkungsort gelangen, und dafür ist ein besseres Verständnis der Zellhülle hilfreich“, erklärt Engelhardt.