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Mit den Guten gegen die Bösen

Zur Verhinderung von Lungenentzündungen bei der Beatmung von Patienten könnten möglicherweise auch harmlose, probiotische Bakterien effektive Arbeit leisten. Diese hätten gegenüber den bisher eingesetzten desinfizierenden Antiseptika einige Vorteile.

Ein Problem bei der invasiven Beatmung von Patienten ist, dass Bakterien aus Mund, Rachen und Beatmungsschlauch in die Lunge gelangen und dort eine Lungenentzündung verursachen können (so genannte beatmungsassoziierte Pneumonie oder ventilator-associated pneumonia = VAP). „Eigentlich sollte man von einer Tubus-Assoziierten-Pneumonie sprechen, da es den Patienten mit einem Beatmungsschlauch (Tubus) - ganz im Gegensatz zur nicht-invasiven Beatmung über eine Atemmaske - nicht möglich ist, abzuhusten, was dann sehr häufig zu einer Pneumonie führt“, erläutert Prof. Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Solche Komplikationen verlängern die Behandlungsdauer auf der Intensivstation und können unter Umständen auch zum Tod führen. Zur Prävention betreiben die Pflegekräfte daher eine intensive Mundhgygiene – putzen den Patienten zweimal täglich die Zähne, saugen Sekrete ab und Bepinseln dann die Mundschleimhäute mit einer desinfizierenden Chlorhexidinlösung, wie sie zum Beispiel auch bei Halsweh zum Gurgeln eingesetzt wird. Allerdings hat Chlorhexidin den Nachteil, dass es in verdünnter Lösung zur Bildung resistenter Keime beitragen kann und außerdem die Schleimhäute reizt, zu Zahnverfärbungen führt und in seltenen Fällen auch zu schweren allergischen Reaktionen. Daher haben Schwedische Intensivmediziner um Bengt Klarin an der Universität Lund nach einer Alternativlösung gesucht – und eine recht ungewöhnliche Methode entwickelt: In einer Untersuchung mit 50 Patienten setzten sie harmlose, probiotische Bakterien ein, die bekanntlich die Darmflora verbessern und nachweislich die Bildung von unerwünschten Biofilmen bei Zahnprothesen vermindern können. Tatsächlich konnten sie - wie sie im Journal Critical Care der Fachzeitschrift BioMed Central (2008, Band 12, R136) berichten - mit dem Probiotikum eine gleich gute Wirkung erzielen wie mit dem Antiseptikum Chlorhexidin.

Zur Behandlung wurde den intubierten Patienten mit einem Wattebausch eine Lösung auf die Mundschleimhaut aufgetragen, die Milchsäurebakterien der Art Lactobacillus plantarum 299 (L-plantarum 299) oder aber das Antiseptikum Chlorhexiden enthielt. L-plantarum 299 kommt natürlicherweise im Speichel vor wie auch in durch Milchsäuregärung hergestellten Lebensmitteln wie z.B. Sauerkraut. Das Ziel der Behandlung bestand darin, die Mundflora mit diesen harmlosen Bakterien anzureichern und so das Wachstum von krankheitserregenden Keimen zu verhindern.

Und diese Rechnung ging offenbar auf: Wie die Forscher schreiben, war die probiotische Behandlung zur Eindämmung krank machender Bakterien genauso effektiv wie die antispeptische. Im Vergleich zu Chlorhexidin, dessen Wirkung recht vergänglich ist, weil es nur oberflächlich auf die Mundschleimhaut aufgetragen werden kann, verankern sich die probiotischen Bakterien nach dem Aufbringen aktiv in der Schleimhaut und können so potenzielle Krankheitserreger nicht nur für eine Weile, sondern rund um die Uhr bekämpfen. Zudem ist eine mögliche Resistenz-Bildung durch das Probiotikum nach Ansicht der Forscher sehr unwahrscheinlich und es werde besser vertragen als das Antiseptikum - unerwünschte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Da eine Studie mit nur 50 Patienten allerdings nicht aussagekräftig genug ist, müssen die Ergebnisse nun in einem größeren Rahmen überprüft werden – insbesondere auch, um genauere Angaben zur Prognose der Patienten machen zu können. „Andererseits steht uns Ärzten die Methode einer nicht-invasiven Beatmung zur Verfügung, die wir auch grundsätzlich vorziehen sollten, zumal sie um eine Zehnerpotenz wirksamer ist als alle Hygienemaßnahmen oder Antibiotikagaben zusammen“, kommentiert Köhler die Studie.