Disease Management Programme (DMP) werden in Deutschland seit 2002 im Rahmen bestimmter Volkskrankheiten – wie Asthma bronchiale, COPD oder Diabetes - eingesetzt, um die Versorgung chronisch kranker Patienten zu verbessern und eine umfassende Betreuung zu gewährleisten. Dabei fallen Kinder mit Asthma im Alter von 2 -5 Jahren allerdings nach wie vor aus dem DMP heraus, u.a. aufgrund der eingeschränkten Datenlage bei dieser Patientengruppe. Dies ist eine Situation, die nach Ansicht von Prof. Dietrich Berdel, Leiter des Forschungsinstitutes der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Marien-Hospitals Wesel und Vorstandsmitglied der Deutschen Atemwegsliga e.V., in Anbetracht der Versorgungssituation dieser jungen Patienten so nicht akzeptiert werden darf. „Wir bemühen uns deshalb seit vielen Jahren Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren den Einschluss in das DMP Asthma zu ermöglichen“, so Prof. Berdel. Mit einer Prävalenz von 10 % ist Asthma bronchiale die häufigste chronische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter und damit ein wichtiger Kostenfaktor im Gesundheitswesen. Allein in Deutschland sind ca. 300.000 Kinder im Vorschulalter betroffen. Das Erstmanifestationsalter liegt in 70% vor dem 5. Lebensjahr.
Hintergründe2006 führte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) im Auftrag des gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Recherche zur diagnostischen Genauigkeit verschiedener Untersuchungsmethoden bei Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren durch, u.a. auf der Suche nach einem Goldstandard für die Diagnosestellung Asthma bronchiale in der betreffenden Altersgruppe. Darüber hinaus galt es den Nutzen oder Schaden, der im DMP Asthma etablierten therapeutischen Interventionen bei Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren zu ermitteln.
Der erst in 2009 durch das IQWiG vorgelegte Abschlussbericht lieferte keine klaren Ergebnisse: „Ob Zwei- bis Vierjährige mit bronchialer Obstruktion oder Asthma bronchiale von Maßnahmen profitieren, die im Disease Management Programm (DMP) Asthma bislang nur älteren Kindern angeboten werden, bleibt unklar“, kommentiert Prof. Berdel. „Für die meisten der im DMP Asthma etablierten Interventionen lagen keine Untersuchungen über Nutzen und Schaden bei Kleinkindern vor.“
Diagnose im Kleinkindalter erschwert, aber möglich!Es ist schon länger bekannt, dass die Diagnose Asthma im Kleinkindalter oft schwer zu stellen ist, zumal einige physikalische Verfahren wie die Lungenfunktionsmessung in der Regel nicht wie bei älteren Kindern und Erwachsenen angewandt werden können. „Eine Hauptursache für Fehl- und Unterbehandlungen dieser Altersgruppe“, betont Prof. Berdel. Eine Diagnose ist seiner Ansicht nach allerdings auch ohne Lungenfunktionsuntersuchung möglich. So gibt es Studien, die auch ohne Lungenfunktionsuntersuchung spezifische diagnostische Kriterien liefern, um bei Kindern mit asthma-ähnlichen Beschwerden ein hohes Risiko für eine dauerhafte Erkrankung an Asthma zu erkennen. Gute Beispiele sind der sog. API (Asthma prädiktiver Index) oder der sog. Severity Score. Prof. Berdel ist daher davon überzeugt, dass allein durch klinische und anamnestische Untersuchungen auch ohne die Lungenfunktionsanalyse durchaus eine Vorhersage bei Kleinkindern zu treffen ist, die nahe an einen Goldstandard heranreicht.
Zudem ist auch für Erwachsene gar kein Goldstandard für Asthma belegt. Insofern wurde Prof. Berdel zufolge in der Recherche des IQWiG mit zweierlei Maß gemessen – Kleinkinder wurden diskriminiert! Das DMP könne insofern – Prof. Berdel sagt dies mit einem Augenzwinkern - auch als Diskriminierungs Management Programm bezeichnet werden.
Kriterien zur Einschreibung von Kindern in das DMP AsthmaAufgrund mehrerer vorliegender Studien wurden folgende Kriterien ausgearbeitet, die eine Teilnahme an dem DMP Asthma für Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren ermöglichen sollen: Das Auftreten von drei asthmatypischen Episoden im vergangenen Jahr, die auf einen Therapieversuch mit antiasthmatischen Medikamenten ansprechen, UND mindestens eines der folgenden Kriterien:
- Asthma bei den Eltern oder Geschwistern li < Patienten des>
- Stationärer Aufenthalt wegen obstruktiver Atemwegssymptome
- Nachweis einer Sensibilisierung
- Giemen unabhängig von Infekten ( z.B. körperliche Anstrengung oder Allergenkontakt)
- Erfüllung der Einschreibekriterien ab 5 Jahre.
Nach Angaben von Prof. Berdel ist davon auszugehen, dass die Einschreibung von Kindern der Altersgruppe von zwei bis fünf Jahren in DMP Asthma die herrschende Unter- und Fehlbehandlung verringern wird und entsprechende Auswirkungen auf die Lebensqualität und sozioökonomische Faktoren der Patienten hat. Nicht nur Kinderärzte, sondern auch Mediziner anderer Fachbereiche unterstützen diese Forderungen.
Benennung der Diagnose verbessert KrankheitsverlaufProf. Berdel weist darauf hin, dass bei der Recherche des IQWiG nach dem Nutzen und Schaden der therapeutischen Interventionen insbesondere der Schaden bei der Diagnose Asthma als Stigmatisierung der Kinder in ihrem sozialen Umfeld hervorgehoben wurde. Andere Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Benennung der Diagnose die Selbstwahrnehmung und den Verlauf der Erkrankung deutlich verbessern! Schwere Asthma-Attacken werden weniger, wenn die Kinder adäquat therapiert werden. Eine gezielte Therapie kann darüber hinaus helfen, die Kosten im Gesundheitssystem für Vorschulkinder einzudämmen, da die Morbidität bei stärkerer Symptomatik verringert wird und unnötige Behandlungen bei milderem Verlauf vermieden werden.
Fazit: Die Einbindung von Kindern im Alter zwischen zwei bis fünf Jahren in das DMP Asthma kann zwar nicht die Prognose der Erkrankung verbessern, dafür aber eine Unter- und Fehlversorgung vermeiden und vor allem die Lebensqualität der kleinen Patienten erhöhen.