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Lungenärzte fordern gesellschaftliches Umdenken in Sachen Luftverschmutzung

Experten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) rufen die Regierungen von Staat, Ländern und Kommunen auf, Regularien und Anreize zur Schadstoffvermeidung zu schaffen.

In Studien wird berichtet, dass die Feinstaubbelastung durch Landwirtschaft, Industrie und Verkehr gesundheitsschädlich ist: Schätzungen der European Environment Agency zufolge verliert die deutsche Bundesbevölkerung dadurch jährlich 600.000 Lebensjahre, wenn man das Gesundheitsrisiko auf eine einfache Zahl herunterbricht (siehe: Air quality in Europe — 2017 report). Besonders betroffen sind ältere oder chronisch kranke Menschen sowie kleine Kinder. Experten der  Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) fordern daher Politik, Industrie und Bevölkerung zum Umdenken auf und rufen die Regierungen von Staat, Ländern und Kommunen auf, entsprechende Regularien und Anreize zur Schadstoffvermeidung zu schaffen. Den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Schadstoffbelastung und ihre Forderungen für den Weg zur gesünderen Luft hat die Fachgesellschaft am 27.11.18 in Form eines umfassenden Positionspapiers in Berlin vorgestellt.

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Luftverschmutzung der wichtigste umweltbedingte Risikofaktor für Erkrankungen. Studien zeigen, dass Feinstaub, Stickoxide und andere Schmutzpartikel in hohen Konzentrationen nicht nur der Lunge schaden können – auch für Herzinfarkt und Schlaganfall, Diabetes Typ 2 und Schwangerschaftsdiabetes, Demenz und weitere Erkrankungen wurde in epidemiologischen Studien ein Zusammenhang mit Luftschadstoffen gefunden. „Selbst wenn die gemessenen Effekte relativ klein sind, haben wir es doch mit einem enormen Gesundheitsproblem zu tun, das praktisch jeden einzelnen Bürger betrifft und dem sich niemand entziehen kann“, meint Prof.  Schulz vom Helmholtz Zentrum München für Gesundheit und Umwelt. Die Fachgesellschaft für Lungenheilkunde, DGP, sieht vorrangig die Regierungen von Bund, Land und Kommunen in der Pflicht, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Deutschland zu ergreifen, aber das Umdenken und die Eigenverantwortung für den Weg zur sauberen Luft muss letztlich von allen Bürgern akzeptiert und aktiv gelebt werden.

Obwohl der Schadstoffausstoß in den letzten Jahrzehnten bereits stark gesenkt wurde, sind die gesundheitlichen Auswirkungen nach Ansicht von Experten der DGP nach wie vor hoch. „Bisher konnten Experten keine Grenzwerte ermitteln, die eine Gefährdung der Gesundheit ausschließen“, so Professorin Hoffmann von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Die DGP setzt dabei die Grenzwerte der WHO als Richtlinie an, die mit 20 µg/m3 (PM10 Feinstaubpartikel) und 10 µg/m3 (PM 2.5 Partikel) nicht einmal halb so hoch liegen, wie die derzeit in Europa vorgeschriebenen Werte. Eine Studie aus dem Jahr 2013 in europäischen Städten kommt zu dem Schluss, dass jeder Bewohner durchschnittlich sechs Monate länger leben könnte, wenn die WHO-Grenzwerte dort eingehalten würden (siehe The Science of the total environment 2013, Band 449, Seite: 390-400).

Um die Bundesbevölkerung vor den schädlichen Folgen der Luftverschmutzung zu schützen, ist aus Sicht der DGP ein gesellschaftliches Umdenken notwendig. „Sowohl Politik und Industrie als auch die gesamte Bevölkerung müssen eine Kultur der Schadstoffvermeidung entwickeln“, betont Prof. Schulz, wobei er die Politik in der Verantwortung sieht, entsprechende Regularien und Anreize hierfür zu schaffen. Zu den möglichen Maßnahmen gehören die Förderung alternativer Mobilität zum PKW, wie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine umfassende Fahrradmobilität sowie die Förderung von Elektroautos und Carsharing-Modellen und durchaus auch Fahrverbote. Neben dem Verkehr sind auch andere Quellen von Bedeutung, wie die zunehmend beliebter werdenden Kaminöfen, bei denen eine Schadstoffreduktion geboten ist. Darüber hinaus empfiehlt die Fachgesellschaft, in die Entwicklung „sauberer“ Technologien für Industrie, Energieproduktion und Landwirtschaft zu investieren und diese zeitnah anzubieten. Wir als Bürgerinnen und Bürger müssen die Nachfrage und den Bedarf an modernen Technologien klar signalisieren und so den Gesamtprozess positiv beeinflussen. Darüber hinaus ist die Änderung unseres Mobilitätsverhaltens ein Schlüsselfaktor zur Reduktion der Schadstoffbelastung, vor allem in den Ballungsgebieten. Zur Senkung der eigenen Schadstoffexposition gehören die Nutzung von Verkehrswegen mit geringerer Schadstoffbelastung, z.B. Nebenstraßen oder verkehrsberuhigte Bereiche, vor allem bei aktiver Fortbewegung wie Fahrradfahren, bis hin zur Auswahl von Ort und Zeit für sportliche Aktivitäten und dem Lüftungsverhalten in der Wohnung.

An dem Positionspapier „Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit“ haben neun ausgewiesene wissenschaftliche Experten für Gesundheitseffekte von Luftschadstoffen mitgearbeitet: Dr. Josef Cyrys, Dr. Stefan Karrasch, Dr. Regina Pickford, Dr. Alexandra Schneider und Prof. Holger Schulz vom Helmholtz Zentrum München, Dr. Georg Bölke und Prof. Christian Witt von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Arbeitsbereich ambulante Pneumologie der Medizinischen Klinik, Prof. Claudia Hornberg, Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Prof. Barbara Hoffmann, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.