Asthma und die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) sind die häufigsten Erkrankungen unseres Atmungsorgans. Während Asthma meist schon im Kindesalter auftritt, sind von COPD in der Regel Erwachsene - meist langjährige Raucher - betroffen. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz werden künftig im Rahmen eines bundesweiten Kompetenznetzes eine noch junge, in Mainz entwickelte Methode mit polarisiertem Helium zur Diagnose und Verlaufsbeobachtung dieser beiden Lungenkrankheiten erforschen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt den Mainzer Wissenschaftlern dafür in den kommenden drei Jahren über 800.000 Euro zur Verfügung. Die Gesamtdauer des BMBF-Forschungsprojekts ist auf zwölf Jahre angelegt. „Dadurch können wir künftig Lungenuntersuchungen mit polarisiertem Helium-3 in einem größeren Umfang als bisher durchführen und den Nutzen der Methode besser ausloten“, erwartet der Physiker Prof. Dr. Werner Heil vom Institut für Physik an der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Die eingeschränkte Leistung der Lungen bei Asthma oder COPD kann mit bildgebenden Verfahren heute recht gut gezeigt werden. „Die Mainzer Technik mit hochpolarisiertem Helium-3 ist aber sozusagen der Goldstandard zur Beurteilung der Ventilation. Es gibt bislang kein vergleichbares Verfahren, das die Lunge so deutlich abbilden kann, und dies ohne jede Strahlenbelastung wie etwa beim Röntgen oder CT“, erklärt der Mainzer Radiologe Prof. Dr. Christoph Düber von der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Patienten atmen dabei das Edelgas Helium ein, das als Kontrastmittel dient und aus der Tauchmedizin als gut verträglich bekannt ist. Das Gas dringt bis in die kleinsten Verästelungen der Lunge vor. Mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) kann dann die Belüftung und Durchblutung der Lunge genau aufgezeichnet werden.
Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens ist die Herstellung von hochpolarisiertem Helium für die MRT. Am Institut für Physik wird das Isotop Helium-3 - eine sehr seltene Variante des normalen Edelgases Helium, der ein Neutron fehlt - in einem Magnetfeld mit Infrarotlasern bestrahlt. Ziel ist, dass die Kerne sich daraufhin einheitlich ausrichten, so dass ihre Eigendrehung, auch Spin genannt, in die gleiche Richtung zeigt. Ab einem Polarisationsgrad von über 60 Prozent ist das Signal stark genug für die Bildgebung in der Kernspintomographie. Das polarisierte Gas wird dann in Flaschen abgefüllt und zum Anwendungsort gebracht. „Die Kunst dabei ist, dass die Polarisierung bis zum Verbraucher erhalten bleibt“, betont Heil, der für seine Arbeiten mit zahlreichen Preisen, darunter dem Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 1998, ausgezeichnet worden ist. Mittlerweile ist Helium-3 als Arzneimittel für klinische Zwecke zugelassen und wird von Mainz aus in alle Welt transportiert, selbst bis nach Australien.
Die neue Aufgabe für die Mainzer Kooperationspartner aus Medizin und Physik ist nun abzuklären, ob noch weitere Möglichkeiten in der Helium-Methode stecken. Düber nennt einige der Fragestellungen der Mediziner: „Hilft sie uns in der Diagnostik weiter? Können wir mit der Methode Entscheidungen über eine Therapie treffen? Können wir eine Unterteilung der Krankheitsbilder Asthma und COPD in Untergruppen erreichen?“ Indessen werden die Physiker die Grundversorgung mit hochpolarisiertem Helium-3 sicherstellen und die Methode gleichzeitig weiterentwickeln. „Wir wollen so genannte Phantome bauen, damit wir die realen Bilder der Lunge besser verstehen können“, berichtet Heil. Mit der Einbindung in ein bundesweites, langfristig ausgerichtetes Experten-Netzwerk wird die Erforschung von Lungenerkrankungen mit Helium dann - so erwarten die Wissenschaftler - endgültig den Kinderschuhen entwachsen und nicht nur einen neuen Einblick in die Lunge gewähren, sondern vielleicht auch zu neuen Erkenntnissen über die beiden wichtigsten Lungenkrankheiten verhelfen.