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Grundgerüst für neue Tuberkulose-Medikamente

In den letzten 50 Jahren ist lediglich ein neues Tuberkulose-Medikament auf den Markt gekommen. Mehr neue Wirkstoffe wären aber dringend notwendig: Gängige Therapien scheitern zunehmend an multiresistenten Erregern. Forschende der Technischen Hochschule Zürich haben nun ein Grundgerüst für neue Medikamente zum Patent angemeldet.

Die so genannte Schwindsucht - galt im 18. Jahrhundert als die schlimmste der damals bekannten Seuchen. Dank Fortschritten der Medizin sind die Todesfälle durch die heute unter dem Namen Tuberkulose bekannte Lungenkrankheit deutlich zurückgegangen. In den 1950er und 60er Jahren führten Bemühungen, die Krankheit auszurotten, zur Markteinführung einer ganzen Reihe neuer Medikamente.

Zur jetzigen Zeit sterben aber noch immer jährlich etwa 1,4 Millionen Menschen an Tuberkulose. Besonders gefährlich sind multiresistente Tuberkulose-Erreger, gegen die keines der gängigen Medikamente mehr nützt. „Seit etwa 50 Jahren ist lediglich ein neues Tuberkulose-Medikament auf den Markt gekommen, und auch das erst 2012“, sagt Karl-Heinz Altmann, Professor für Pharmazeutische Biologie an der ETH Zürich. Dabei wären neue Wirkstoffe, welche auch die multiresistenten Erreger abtöten können, dringend notwendig. Altmann und sein Team haben nun den Grundstein für neue Tuberkulose-Medikamente gelegt, inspiriert von einem von Bakterien produzierten Wirkstoff namens Pyridomycin (siehe Nature Chemical Biology, 2014, Band 10(2), Seite 96-98).

Pyridomycin hemmt das Wachstum des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis, wird jedoch relativ schnell abgebaut und dadurch unwirksam. Angelehnt an die Struktur von Pyridomycin entwarfen Altmann und seine Forschungsgruppe ein Molekül, das gegenüber dem natürlichen Wirkstoff einige Vorteile besitzt: Es ist stabiler und lässt sich leichter künstlich herstellen. Außerdem kann es als Grundstruktur dienen, um weitere Abwandlungsprodukte des Wirkstoffs zu synthetisieren und zu testen. So könnten letztendlich Medikamente entwickelt werden, die effizient wirken und gut verträglich sind. Auch kann der jeweilige Wirkstoff immer wieder angepasst werden, um neu entwickelte Resistenzen der Tuberkulose-Erreger zu umgehen. Die Forschenden haben die Wirkstoff-Grundstruktur sowie die Methode ihrer Herstellung zum Patent angemeldet.

Mit dem Pyridomycin nahmen sich die Forschenden einen lange vergessenen Wirkstoff zum Vorbild: Bereits 1953 entdeckten japanische Wissenschaftler, dass diese Substanz das Wachstum des Tuberkulose-Erregers Mycobacterium tuberculosis hemmt. Der Stoff wurde aber jahrzehntelang nicht weiter untersucht. „Man hielt das Tuberkuloseproblem wohl für gelöst“, vermutet Altmann. Bei einer Literaturrecherche stieß er wieder auf den Wirkstoff und entschlüsselte in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Stewart Cole, Professor für mikrobielle Pathogenese an der EPFL, dessen Wirkungsweise: Pyridomycin legt eine wichtige Komponente des Zellstoffwechsels lahm, welche für den Aufbau der Zellwand des Tuberkulose-Erregers essentiell ist. Zwar gibt es bereits ein Medikament namens Isoniazid, welches auf die gleiche Schwachstelle des Erregers abzielt, letzteres muss jedoch in den Tuberkulosebakterien zuerst in den eigentlichen Hemmstoff umgewandelt werden. Dagegen bindet Pyridomycin direkt an das Zielprotein und umgeht somit bestehende Resistenzen, die eine Aktivierung des Isoniazids verhindern. Das neue Wirkstoff-Grundgerüst ermöglicht eine große Vielfalt an Strukturen für neue Medikamente gegen Tuberkulose.

Resistenzen entstehen insbesondere aufgrund der sehr langwierigen Therapie, welche Tuberkulose-Patienten durchlaufen müssen. Sechs Monate lang müssen sie die Medikamente einnehmen, wobei die Symptome meist schon nach einigen Wochen verschwinden. Fatalerweise brechen Patienten - sobald die Beschwerden aufhören - die Therapie oft ab. Dies aber fördert die Resistenzbildung, da dann Erreger eher verbleiben und sich vermehren können, die an das Medikament angepasst und damit resistent sind.

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)