Träger eines Gendefekts, der zum so genannten Alpha-1-Antitrypsinmangel (ALPHA-1) führt, haben ein doppelt so hohes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, wie Menschen ohne diese Genveränderung. Darauf weisen die Lungenärzte der Deutschen Gesellschaft für Pnerumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Werne hin unter Berufung auf die Ergebnisse einer US-Studie mit 1856 Lungenkrebspatienten, von denen 11-12 Prozent das defekte Gen trugen. „Offenbar macht der Gendefekt die Betroffenen empfindlicher gegenüber Krebs erregenden Stoffen“, erläutert Prof. Helmut Teschler, Präsident der DGP und ärztlicher Direktor des Zentrums für Pneumologie und Thoraxchirurgie an der Ruhrlandklinik Essen. „Das Fatale dabei ist, dass einige Menschen Träger dieses Gendefekts sind, ohne das zu wissen, da sie keine gesundheitlichen Beschwerden haben. Die Erbkrankheit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel tritt (in Folge ihres autosomal-rezessiven Erbganges) nämlich nur dann voll in Erscheinung, wenn das defekte Gen in doppelter Ausführung vorliegt – also von beiden Elternteilen (homozygot) vererbt worden ist. Dann kommt es bereits im frühen Alter zu einer Zerstörung der Lungenbläschen und einem Lungenemphysem (COPD). Hat der Betroffene demgegenüber den Gendefekt nur in einfacher Ausführung geerbt, merkt er meist nichts davon. Trotzdem hat er – wie aus der US-Studie hervorgeht - ein zweifach erhöhtes Lungenkrebsrisiko, selbst wenn er nicht raucht.“
Chronische Schädigung kann zu Krebs führenRauchen ist und bleibt der größte Risikofaktor für die Entwicklung von Lungenkrebs – so haben Raucher ein 2- bis 9-fach erhöhtes Lungenkrebsrisiko gegenüber Nichtrauchern. „Die Untersuchung an der Mayo Clinic in Minnesota zeigt aber, dass ein vererbter Mangel an Alpha-1-Antitrypsin, das normalerweise die Lungenbläschen vor Eiweiß abbauenden Enzymen schützt, auch ohne die Einwirkung von Zigarettenrauch zu einer Schädigung der Lunge führen kann. Dann ist das Lungenkrebsrisiko um 70 Prozent erhöht“, erklärt Teschler. „Bekanntlich können chronische Entzündungen und Zellschädigungen – wie bei vielen anderen Tumorarten auch - zu Krebs führen. So weisen COPD-Patienten, die unter einer fortschreitenden Zerstörung ihrer Lungenbläschen, chronischen Infekten und Lungenentzündungen leiden, ein sechsfach erhöhtes Lungenkrebsrisiko im Vergleich zu Menschen ohne COPD auf. Dieser Zusammenhang zwischen chronischer Schädigung und Krebs könnte auch erklären, warum manche Menschen an Lungenkrebs erkranken, obwohl sie nie geraucht haben. Umgekehrt darf man daraus natürlich nicht folgern, dass Menschen, die den Gendefekt nicht aufweisen, vor Lungenkrebs gefeit wären.“
Regelmäßiger check-up und Rauchverzicht dringend empfohlenDa Träger des Gendefektes weniger Alpha-1-Antitrypsin als normal bilden, können sie die Schadstoffe aus dem Tabakrauch noch schlechter abwehren als Gesunde. „Insofern weisen sie eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber den Krebs erregenden Inhaltsstoffen des Tabaks auf und sollten daher unbedingt auf das Rauchen verzichten und auch Passivrauch möglichst meiden“, rät Teschler. „Genträger sollten außerdem regelmäßig ihre Lungenfunktion vom Arzt überprüfen lassen. Falls die Erbkrankheit nicht offensichtlich in der Familie liegt: Betroffen sind vornehmlich Menschen, in deren Familie bereits Fälle von Lungenkrebs oder COPD aufgetreten sind. Insbesondere diese Personen sollten sich auf ALPHA-1 testen lassen.“