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Feinstaub offenbar gefährlicher als bisher angenommen

Das Risiko, nach dem Einatmen von Feinstaub an einem so genannten kardiovaskulären Ereignis - wie an Herzinfarkt, Koronarer Herzkrankheit, Schlaganfall oder peripherer arterielle Verschlusskrankheit - zu sterben, ist anscheinend sehr viel höher als man bisher dachte. Das berichten US-Forscher von der Universität Seattle im Fachblatt New England Journal of Medicine.

Die kardiovaskulären Risiken durch Feinstaub – also mögliche Schäden an Herz und Gefäßen, die durch das Einatmen von Feinstaub verursacht werden - scheinen deutlich höher zu sein als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler um Joel Kaufman von der Universität Seattle nach Auswertung der so genannten „Womens Health Initiative Observational Study“ (WHI-OS), wie in der Februar-Ausgabe des Fachblattes New England Journal of Medicine zu lesen ist: Jeder Anstieg der PM 2,5- Konzentration um 10 µg/m3 Luft erhöhe das kardiovaskuläre Sterberisiko um 76 Prozent. Das stehe im Gegensatz zu einer früheren Studie der amerikanischen Krebsgesellschaft, die bereits 2004 in der Fachzeitschrift Circulation veröffentlicht wurde. Hier stieg das kardiale Risiko pro 10µg/m3 Feinstaub um lediglich 8 bis 18 Prozent. Außerdem haben Kaufman und seine Mitarbeiter beobachtet, dass so genannte kardiovaskuläre Ereignisse - wie Herzinfarkt, Koronare Herzkrankheit, Schlaganfall oder periphere arterielle Verschlusskrankheit - pro 10µg/m3 Feinstaub um 24 Prozent häufiger auftreten. Frühere Studien hatten in diesem Punkt keine eindeutigen Werte ermittelt.

Diese Diskrepanz ist nach Ansicht der Herausgeber des New England Journal of Medicine, Douglas Dockery und Peter Stone - beide Wissenschaftler der Harvard Universität in Boston – vor allem auf das bessere Studiendesign der aktuellen Untersuchung WHI-OS im Vergleich zur älteren „Cancer Prevention Studie II“ zurückzuführen. So war man in der WHI-OS-Studie bei der Analyse nicht auf die oft falsch ausgefüllten Todesbescheinigungen angewiesen, sondern konnte direkt auf Krankenakten zurückgreifen, in denen auch die kardialen Endpunkte genau aufgezeichnet waren. Außerdem war die „Cancer Prevention Studie II“ damals zu einem ganz anderen Zweck (nämlich zur Prävention von Krebserkrankungen) durchgeführt worden, während sich die aktuelle WHI-OS-Untersuchung tatsächlich auf die kardiovaskulären Endpunkte konzentriert hat, wobei sie diese auch noch genauer mit den jeweiligen Luftmessdaten der Environmental Protection Agency (EPA) in Verbindung bringen konnte als die ältere Untersuchung. Insofern scheinen die Ergebnisse der WHI-OS aussagekräftiger zu sein.

Da an der WHI-OS-Studie ausschließlich Frauen nach der Menopause teilgenommen haben, stellt sich die Frage, ob eventuell gerade diese Personengruppe ein besonderes hohes Risiko durch Feinstaub hat. Das halten die genannten Editorialisten zumindest durchaus für möglich, wenn auch die bisherigen Untersuchungsergebnisse dies nicht eindeutig beantworten können. Schließlich hätten Frauen anatomisch kleinere Herzkranzgefäße (Koronarien), die auch häufiger Fehlfunktionen aufwiesen als bei Männern. Außerdem sei eine Arterienverkalkung (Atherosklerose) bei Frauen öfter diffus verteilt, das heißt schwerer zu lokalisieren und deshalb schwerer zu behandeln als bei Männern. Nun müsse eine vergleichende Beobachtungsstudie durchgeführt werden, um nachzuweisen, ob Frauen nach der Menopause tatsächlich ein erhöhtes kardiales Risiko im Vergleich zu Männern haben.

Quellen:

  • The New England Journal of Medicine (2007), Band 356, Seite 447-458. Zusammenfassung (abstract)
  • Circulation (2004), Band 109, Seite 71-77. Zusammenfassung (abstract)