Bei rund zehn Prozent der Patienten, die während einer intensivmedizinischen Versorgung künstlich beatmet werden mussten, kann es zu einem schwierigen und längerfristigen Entwöhnungsprozess vom Beatmungsgerät (Weaning) kommen. „Das entspricht hierzulande drei- bis fünftausend komplizierte Weaning-Fälle pro Jahr, deren Versorgung nicht-spezialisierte Intensivstationen allerdings nicht adäquat leisten können“, erläutert Prof. Bernd Schönhofer, einer der beiden Tagungspräsidenten des diesjährigen Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Hannover, sowie Leiter der Abteilung Pneumologie und internistische Intensivmedizin im Klinikum Oststadt-Heidehaus Hannover und außerplanmäßiger Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover. „Gerade die Behandlung von Langzeitbeatmungspatienten, die nach einem Luftröhrenschnitt über einen Beatmungsschlauch an das Beatmungsgerät fixiert sind und daher z.B. weder sprechen noch selbstständig essen können, erfordert natürlich eine große Behandlungsintensität und absorbiert rund 50 Prozent der Ressourcen einer Intensivstation. Außerdem benötigt eine auf Weaning spezialisierte Intensiveinheit im Vergleich zu einer allgemeinen Intensivstation eine ganz andere Organisationsstruktur.“
Immer mehr alte und schwerkranke Patienten müssen beatmet werdenMehrere Gründe für die wachsende Bedeutung der Beatmungsmedizin in Deutschland liegen klar auf der Hand: Aufgrund der Bevölkerungsstruktur in Deutschland erreichen immer mehr Menschen ein höheres Lebensalter, in dem auch Krankheiten häufiger auftreten, wobei die Betroffenen meist nicht nur an einer einzelnen Krankheit erkranken, sondern oft an mehreren zugleich. All dies macht auch die Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmung wahrscheinlicher. Unter den Beatmungspatienten gibt es aber außerdem auch einige Kinder und Jugendliche, die wegen einer neurologischen oder neuromuskulären Erkrankung (wie z.B. Duchenn’sche Muskeldystrophie) beatmet werden müssen.
Verlust an Atemmuskulatur infolge Langzeitbeatmung muss wieder aufgebaut werdenDank der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten in der Intensivmedizin können Betroffene heutzutage länger überleben. „Je länger allerdings eine invasive Beatmung andauert, umso stärker wird sich bei den künstlich beatmeten Patienten die Atemmuskulatur zurückbilden, die dann wieder mühevoll durch spezielle Weaningstrategien aufgebaut werden muss“, gibt Schönhofer zu bedenken. „Der Preis einer länger andauernden, invasiven Beatmung ist ein genereller Verlust der Belastbarkeit der Muskulatur, wobei die Schwäche der Atmungsmuskulatur besonders fatal ist und eine spezielle Behandlung erfordert. Dazu stehen in unseren Weaning-Kompetenzzentren spezielle bewegungs-, physio-, ernährungs- und pharmakotherapeutische Methoden zur Verfügung. Darüber hinaus versuchen wir die Patienten so bald wie möglich – alternativ zur invasiven Beatmung über einen Tubus nach Luftröhrenschnitt) - auf eine nicht-invasive Beatmung mit Nasen- bzw. Mund-Nasen-Maske umzustellen, die ihnen u.a. das Sprechen und ein selbständiges Abhusten erlaubt, was ihre Genesung deutlich beschleunigen kann. Nicht zuletzt lässt sich auf diesem Weg auch die Psyche der oft reaktiv-depressiven Patienten stabilisieren.“
Kompetenznetzwerk pneumologischer Weaningzentren gegründetDa die Zahl der Beatmungspatienten in Deutschland ansteigt, haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr pneumologische Kliniken und Abteilungen in Deutschland auf die schwierige Entwöhnung vom Respirator (Weaning) spezialisiert. Um ein bundesweit kooperierendes Netzwerk solcher Weaning-Stationen auf- und auszubauen, haben die Beatmungsspezialisten unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) mit dem sogenannten „WeanNet“ ein Kompetenznetzwerk pneumologischer Weaningzentren gegründet. Dessen Aufgaben und Ziele wurden kürzlich auf einer Pressekonferenz im Rahmen des 51. Jahreskongresses der DGP in Hannover von Schönhofer näher vorgestellt.
Lungenärzte wollen Zusammenarbeit der Weaningzentren in Deutschland verbessernWichtige Aufgaben des Kompetenznetzwerkes WeanNet sind der Aufbau eines Weaning-Registers zur Dokumentation aller Behandlungsfälle und die Akkreditierung weiterer Weaning-Zentren. „Das wesentliche Ziel von WeanNet ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit der spezialisierten Weaningzentren und ihre Qualitätssicherung“, betont Schönhofer. „Dazu wurde vom Kompetenznetzwerk pneumologischer Weaningzentren ein Akkreditierungskonzept für Weaning-Zentren mit dem Ziel einer Verbesserung der medizinischen Behandlungsabläufe und der externen Qualitätssicherung erarbeitet, das jetzt im Frühjahr 2010 nach Abschluss einer Pilotphase gestartet wird.“ Rund sechzig Weaning-Einheiten haben sich bereits eingeschrieben.