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Dunkelfeld-Röntgen verbessert Diagnose von Lungenerkrankungen

Ein neues Röntgenverfahren für die Lungendiagnostik – das sog. Dunkelfeld-Röntgen – macht frühe Veränderungen in der Struktur der Lungenbläschen sichtbar, benötigt dafür jedoch nur ein Fünfzigstel der in der Computertomographie üblichen Strahlendosis. Dies erlaubt eine breite medizinische Anwendung in der Früherkennung und dem Therapieverlauf von Lungenerkrankungen.

Typisch für eine lebensgefährliche chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease, COPD) sind teilweise zerstörte Lungenbläschen (Alveolen) und eine Aufblähung der Lunge (Emphysem). In normalen Röntgenaufnahmen sind diese feinen Unterschiede im Gewebe jedoch kaum sichtbar. Detaillierte diagnostische Informationen liefern erst fortschrittliche medizinische Bildgebungstechnologien, bei denen im Computer viele Einzelbilder zusammengesetzt werden. Eine schnelle und kostengünstige Option mit geringer Strahlenbelastung für Früherkennung und Nachuntersuchungen fehlte aber bisher.

Diese Lücke könnte künftig ein an der Technischen Universität München (TUM) entwickeltes Verfahren schließen: das Dunkelfeld-Röntgen. Die Ergebnisse einer ersten klinischen Studie mit Patienten, bei der die neue Röntgen-Technologie zur Diagnose der Lungenkrankheit COPD eingesetzt wurde, haben Forscher um Franz Pfeiffer, Professor für biomedizinische Physik und Direktor des Munich Institute of Biomedical Engineering der TUM, Anfang dieses Jahres präsentiert (siehe Lancet Digital Health, online am 13.1.2021).


Die konventionelle Röntgen-Bildgebung beruht auf der Abschwächung des Röntgenlichts auf seinem Weg durch das Gewebe. Die Dunkelfeld-Technologie dagegen nutzt Anteile des Röntgenlichts, die gestreut werden und beim konventionellen Röntgen unbeachtet bleiben.

Die neue Methode nutzt damit das physikalische Phänomen der Streuung auf ähnliche Weise wie die schon länger bekannte Dunkelfeldmikroskopie mit sichtbarem Licht: Diese macht es möglich, Strukturen weitgehend transparenter Objekte sichtbar zu machen. Im Mikroskop erscheinen sie als helle Strukturen vor einem dunklen Hintergrund, was der Methode ihren Namen verleiht. „An Grenzflächen zwischen Luft und Gewebe ist diese Streuung beispielsweise besonders stark“, erklärt Pfeiffer. „Dadurch lassen sich in einem Dunkelfeldbild der Lunge Bereiche mit intakten, also luftgefüllten, Lungenbläschen klar von Regionen unterscheiden, in denen weniger intakte Lungenbläschen vorhanden sind.“

Eine Untersuchung mit der Dunkelfeld-Röntgen-Technik ist außerdem mit einer deutlich geringeren Strahlendosis verbunden als die heute verwendete Computertomografie. Denn sie erfordert nur eine einzelne Aufnahme pro Patientin oder Patient, während für die Computertomografie zahlreiche Einzelaufnahmen aus verschiedenen Richtungen erstellt werden müssen. „Wir rechnen mit einer um den Faktor Fünfzig reduzierten Strahlenbelastung“, berichtet Pfeiffer. Darüber hinaus haben die ersten klinischen Ergebnisse bestätigt, dass das Dunkelfeld-Röntgen zusätzliche bildliche Informationen über die zugrundeliegende Mikrostruktur der Lunge liefert.

„Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen der Alveolarstruktur und dem funktionellen Zustand der Lunge ist diese Fähigkeit für die Lungenheilkunde von großer Bedeutung,“ erklärt Dr. Alexander Fingerle, Oberarzt des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Klinikum rechts der Isar der TUM. „Das Dunkelfeld-Röntgen könnte so zu einer besseren Früherkennung von COPD und anderen Lungenerkrankungen in Zukunft beitragen.“

Franz Pfeiffer hofft, mit diesen ersten klinischen Ergebnissen an Patienten die Durchführung weiterer klinischer Studien und die Entwicklung marktfähiger Geräte zu beschleunigen, die die Dunkelfeld-Methode nutzen. „Mit der Dunkelfeld-Röntgen-Technologie haben wir aktuell eine Chance, die Früherkennung von Lungenkrankheiten deutlich zu verbessern und gleichzeitig auch breiter als bisher einzusetzen,“ betont Pfeiffer.

Da die Dunkelfeld-Bildgebung nicht auf COPD beschränkt ist, sind auch weitere translationale Studien zu anderen Lungenpathologien wie Lungenfibrose, Pneumothorax, Lungenkrebs und Lungenentzündung, einschließlich COVID-19, von großem Interesse.

Quelle: Technische Universität München