Lungenärzte im Netz

Ihre Experten für gesunde Atemwege

Herausgeber:

Den Spieß umgedreht

Warum der damalige Erreger der Spanischen Grippe insbesondere für junge Erwachsene so tödlich war, ist jetzt auch an Affen nachvollzogen worden. Dieses Virus hatte offenbar den Spieß einfach umgedreht und die eigentlich gegen ihn selbst gerichteten, übereifrigen Abwehrkräfte der jungen Menschen von sich weg gegen deren eigene Körpergewebe umgelenkt…

Während der von 1918 bis 1920 herrschenden Spanischen Grippe wurde ein Drittel der Weltbevölkerung infiziert. Fast 50 Millionen Menschen wurde diese Grippe_Epidemie zum Verhängnis, sie forderte 25 Mal mehr Todesopfer als sonst bei anderen Grippewellen üblich. In der Forschung versucht man schon länger, die Ursache für diese übermäßige Zerstörungskraft des damaligen Virus zu ergründen, um die Menschheit vor der Wiederholung einer solchen Pandemie möglichst bewahren zu können. Welche lebensbedrohlichen Reaktionen das verantwortliche, damals kursierende Virus vom Typ H1N1 im Körper der Erkrankten ausgelöst haben dürfte, ist kürzlich an Mäusen nachvollzogen worden. Jetzt hat ein amerikanisch-kanadisch-japanisches Wissenschaftlerteam dieselben Auswirkungen auch bei Affen beobachtet, wie das Fachjournal Nature berichtet. Die Forscher um Darwyn Kobasa vom Nationalen Mikrobiologielabor im kanadischen Winnipeg haben das Influenza-A-Virus von 1918 genetisch komplett nachkonstruiert und dann eine Gruppe von Langschwanzmakaken (Macaca fascicularis) damit infiziert.

Offenbar vermochte der Erreger der damaligen Grippepandemie die eigentlich gegen ihn selbst gerichteten Abwehrkräfte seiner Opfer gegen deren eigenes Körpergewebe umzudirigieren. In der Folge kam es zu einer Überreaktion des Immunsystems der Opfer mit Zerstörung des körpereigenen Gewebes, insbesondere in der Lunge. Zum Vergleich infizierten Kobasa und seinen Kollegen die Affen auch mit der gegenwärtig kursierenden H1N1-Variante. Anders als auf das damalige Virus reagierte das Abwehrsystem der Tiere auf den heutigen Erreger aber ganz angemessen, so dass sich die Affen von der Infektion wieder erholen konnten. Nach Ansicht der Forscher lässt sich auf Grund dieser Studienergebnisse auch erklären, warum damals ausgerechnet junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 40 Jahren am schwersten von der Spanischen Grippe betroffen waren. In dieser Altersstufe sei die Abwehrkraft des Immunsystems nämlich in der Regel am stärksten ausgeprägt, was den jungen Menschen in diesem Fall aber mehr geschadet als genutzt habe. So hätten ihre übereifrigen Abwehrkräfte sehr viel mehr Lungengewebe zerstören können als bei Kindern, alten oder kranken Menschen, die grundsätzlich über ein schwächeres Immunsystem verfügen.

Quelle: Nature (2007), Band 445, S. 319. Zusammenfassung (abstract)