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Bluttransfusion gegen Vogelgrippe?

Während der Spanischen Grippe konnte die Blutübertragung von Infizierten, die sich von der Krankheit wieder erholt hatten, offenbar einigen anderen Menschen, die besonders schwer an Grippe erkrankt waren, das Leben retten.

Die bisher verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten bei Vogelgrippe sind nicht sonderlich effektiv, denn Medikamente, die bei humaner Influenza eingesetzt werden, sind gegen das H5N1-Virus nur bedingt wirksam. Einige wenige Studien, die während der Spanischen Grippe-Epidemie gemacht wurden, berichten aber, dass damalige Bluttransfusionen von Grippe-Überlebenden die Sterblichkeit von Infizierten, die an Lungenentzündung erkrankt waren, senken konnten. Insofern scheinen die im Blutplasma von Überlebenden enthaltenen Antikörper effektiv gegen das Influenza-Virus zu wirken, so dass deren Übertragung künftig im Fall einer Pandemie durchaus hilfreich sein könnte. Um diese Annahme zu überprüfen, haben amerikanische Wissenschaftler von der „U.S. Navy“ in Washington, von der „University of the Health Sciences“ in Bethesda und einem Pharmaunternehmen Studiendaten der Spanischen Grippe-Pandemie aus den Jahren 1918 - 1920 analysiert, der weltweit rund 100 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Angesichts der damals erschwerten Forschungsbedingungen (Ausbruch des ersten Weltkriegs) sind die aus jener Zeit verfügbaren Datenmengen zwar gering und weisen auch hinsichtlich der damals angewandten Untersuchungsmethoden einige Beschränkungen auf. Dennoch kommen Thomas Luke von der U.S. Navy und seine Kollegen grundsätzlich zu einem positiven Ergebnis. Wie sie im Fachblatt Annals of Internal Medicine berichten, könnte die Transfusion von Blutprodukten während künftiger Epidemien tatsächlich eine effektive Ergänzung zu Impfstoffen und antiviralen Medikamenten darstellen. Zumal ein ähnlicher Behandlungsansatz auch zur Behandlung anderer Viruserkrankungen bereits eingesetzt worden ist.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass ein einzelner sich erholender Grippe-Patient genügend Blutplasma spenden könnte, um viele andere Erkrankte zu behandeln. Dem hält John Treanor - Experte für Infektionskrankheiten an der University of Rochester – allerdings entgegen, dass die Umsetzung der Blutplasma-Therapie zu logistischen Schwierigkeiten führen könne, wie er in derselben Ausgabe der Annals of Internal Medicine schreibt. So könnte es bei der Gewinnung, Klassifizierung und Bereitstellung von Blutprodukten während eines Ausbruches Probleme geben. Außerdem seien weitere Studien notwendig, um die richtige Dosierung festzulegen. Gerade deshalb sei es umso wichtiger, diese Fragen bereits jetzt - im Vorfeld einer potentiellen Pandemie - durch groß angelegte und kontrollierte klinische Studien zu klären.

Quelle: Annals of Internal Medicine (2006), Band 145/8, online-Ausgabe, wird gedruckt erscheinen am 17.10.06
Zusammenfassung (abstract)