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Bei COPD versagen mindestens drei Schutzmechanismen der Lunge

Angriffe körpereigener Immunzellen auf die Lunge werden offenbar durch mindestens drei Schutzmechanismen verhindert. Diese scheinen bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD allesamt außer Kraft gesetzt zu sein. Das haben Forscher vom Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Hannover herausgefunden.

Irrtümliche Angriffe des eigenen Immunsystems auf die Lunge werden durch mindestens drei Schutzmechanismen verhindert: Das hat die Arbeitsgruppe „Immunregulation“ unter der Leitung von Prof. Dunja Bruder am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Hannover entdeckt. Bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) - einer Volkskrankheit, die vornehmlich durch Rauchen oder schädliche Staubbelastung ausgelöst wird - versagen diese Mechanismen offenbar (siehe American Journal of Respiratory Cell and Molecular Biology, Online-Vorabveröffentlichung Sept. 2012).

Die Oberfläche der Lunge trennt den Körper von der Umwelt. An dieser Grenzlinie ist es besonders wichtig, dass das Immunsystem schädliche Substanzen erkennt und bekämpft, während es körpereigene Strukturen verschont. Bei der Bildung eines bestimmten Typs von Immunzellen, den T-Zellen, entstehen jedoch immer auch solche, die den eigenen Körper angreifen könnten. Bevor sie im Körper aktiv werden, gibt es eine Kontrolle, die diese Zellen aussortiert. Regelmäßig entwischen dabei jedoch einige dieser so genannten autoreaktiven T-Zellen und stellen eine mögliche Gefahr für den Körper dar. Im Fall der COPD spielen sie eine bislang unterschätzte Rolle.

Für die Entwicklung der COPD, die im Volksmund auch als Raucherhusten bezeichnet wird, sind Tabakkonsum und Staubbelastung wichtige Risikofaktoren. „Durch die dadurch hervorgerufene Entzündung kann es als Folge auch dazu kommen, dass T-Zellen das Lungengewebe angreifen und eine Autoimmunerkrankung entsteht“, erläutert Marcus Gereke, Wissenschaftler am HZI.

Gereke gehört zu einem Team von Wissenschaftlern des HZI, der Freien Universität Berlin, des Universitätsklinikums Essen und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, die untersucht haben, wie sich die Lunge vor Angriffen durch das eigene Immunsystem schützt. Dabei haben sie herausgefunden, dass autoreaktive T-Zellen, die eigenes Lungengewebe erkennen, nicht automatisch eine COPD verursachen. Vielmehr müssen weitere Faktoren hinzukommen. Die Forscher interessieren sich insbesondere für eine Gruppe von T-Zellen, die normalerweise infizierte Zellen erkennt und zerstört, so dass sich Krankheitserreger nicht weiter ausbreiten können. Sie sind Teil des erworbenen Immunsystems, das sich im Laufe des Lebens an die neuen Krankheitserreger anpasst und diese gezielt abwehrt. Bereits vor einem Jahr konnten die Wissenschaftler zeigen, dass diese Zellen bei chronischen Lungenentzündungen auch die Lungenbläschen angreifen.

Um die Rolle der T-Zellen bei der Entstehung der COPD zu verstehen, untersuchten die Forscher Mäuse, bei denen sie durch autoreaktive T-Zellen in der Lunge gezielt die Autoimmunität hervorrufen können (also die Bildung von Antikörpern gegen körpereigenes Gewebe aufgrund der Unfähigkeit, Strukturbestandteile als "körpereigen" zu erkennen.). Dabei stellten sie fest, dass allein das Vorhandensein von für körperfremd gehaltenen Zellen keinen Angriff der autoreaktiven T-Zellen auslöste. Demnach benötigen die T-Zellen neben der Erkennung des körperfremden Gewebes ein weiteres Signal, damit sie sich zu Zellen entwickeln, die dazu befähigt sind, körpereigene Zellen zu attackieren. Überraschenderweise wurden die T-Zellen auch dann nur vorübergehend aktiv, wenn die Wissenschaftler ein weiteres, zweites Signal lieferten, indem sie zusätzlich das so genannte angeborene Immunsystem aktivierten – eine Art Alarmanlage des Körpers, die das gesamte Immunabwehrsystem scharf schaltet. „Offenbar ist noch ein drittes Signal notwendig, um diese Zellen komplett anzuschalten. Wenn wir herausfinden, woraus dieses dritte Signal genau besteht, wären wir einen entscheidenden Schritt weiter zu verstehen, wie COPD entsteht, und könnten dort therapeutisch eingreifen, um das Voranschreiten der Erkrankung zu verhindern“, unterstreicht Dunja Bruder die Relevanz dieser Ergebnisse. Untersuchungen deuten darauf hin, dass länger anhaltende Infektionen das dritte Signal hervorrufen könnten. Infektionen führen – ähnlich wie chronische Schadstoffeinwirkung - zu Entzündungen der Lunge, was die autoreaktiven T-Zellen offenbar vollständig aktiviert.

Ähnliches könne auch in Raucherlungen geschehen, vermuten die Forscher. Substanzen im Zigarettenrauch schädigen die Lungenschleimhaut. Dadurch werden Strukturen freigelegt, die von Immunzellen erkannt werden. Auch das angeborene Immunsystem wird ständig aktiviert und gibt dann den autoreaktiven T-Zellen gewissermaßen einen Freifahrtschein, das Lungengewebe zu zerstören. Bei dem dauerhaft entzündeten Lungengewebe starker Raucher versagen diese Schutzmechanismen offenbar, so dass sich in der Folge eine COPD entwickeln kann.

Quelle: Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI)