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Auch zu viel Feinstaub durch Luftverschmutzung soll Lungenkrebs begünstigen

Feinstaub soll einer aktuellen, internationalen Studie zufolge offenbar auch schon unterhalb der europäischen Grenzwerte gefährlich werden und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, an Lungenkrebs zu erkranken…

Menschen, die über einen längeren Zeitraum einer erhöhten Luftverschmutzung (Feinstaubkonzentration) ausgesetzt sind, sollen auch ein größeres Risiko haben, an Lungenkrebs zu erkranken. Zu diesem Ergebnis ist zumindest eine internationale Forschergruppe in Zusammenarbeit mit den Ulmer Wissenschaftlerinnen Dr. Gudrun Weinmayr und Professorin Gabriele Nagel vom Ulmer Institut für Epidemiologie und Medizinische Biometrie gekommen, die Daten aus 17 europäischen Kohortenstudien mit insgesamt über 300.000 Probanden ausgewertet haben. Mithilfe von Krebsregistern konnten die Wissenschaftler entsprechende Erkrankungen in den Kohorten über viele Jahre nachvollziehen. Ergebnisse der von der Universität Utrecht (Niederlande) koordinierten Studie European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE) sind im August publiziert worden (siehe The Lancet Oncology 2013, Band 14/9, Seite 813 – 822).

Luftverschmutzung durch Feinstaub entsteht durch Autoabgase, Verbrennungsprozesse in der Industrie und Hausbrand. Je kleiner die Feinstaubpartikel sind, desto eher werden sie über die Atemwege aufgenommen und können bis in die Lunge und Blutbahn gelangen. In Europa dürfen Feinstaubteilchen mit einem Durchmesser von bis zu zehn Mikrometern (PM10) einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreiten.

Ziel der Forscher war es, die durchschnittliche Konzentration von Feinstaub und Stickoxiden möglichst genau zu bestimmen. Deshalb sind an den Studienzentren (Schweden, Dänemark, Norwegen, in den Niederlanden, Österreich, im Vereinigten Königreich, Italien, Spanien und Griechenland) spezielle Messstationen aufgebaut worden. Die Ulmer Wissenschaftlerinnen waren für die Auswertung der Daten aus Vorarlberg, dem westlichsten Bundesland Österreichs, zuständig: „Wir haben ausgehend von den Messdaten ein so genanntes Landnutzungsmodell berechnet und konnten so die durchschnittliche Luftverschmutzung über mehrere Jahre für die Adressen im untersuchten Gebiet quantifizieren“, erklärt Gudrun Weinmayr.

Für die Vorarlberger VHM&PP Kohorte (Vorarlberg Health Monitoring and Promotion Program) wurden Angaben aus verschiedenen Quellen zusammenführt: Diese Daten wurden zum Beispiel mit dem örtlichen Krebs- und Mortalitätsregister abgeglichen. Eventuelle Störfaktoren wie Rauchen, Ernährung und sozialer Status seien für ESCAPE Kohorten bekannt gewesen und sollen bei der statistischen Auswertung auch berücksichtigt worden sein.

Das Ergebnis der Studie, die 2006 mit der konkreten Planung begann und seit 2011 an der Universität Ulm ausgewertet wird, sei eindeutig: Bereits eine Feinstaubkonzentration unterhalb des europäischen Grenzwerts erhöhe die Wahrscheinlichkeit, an Lungenkrebs zu erkranken. Ein Zusammenhang zwischen der Stickoxidkonzentration und Krankheitsfällen ließ sich nicht nachweisen. Von den Studienteilnehmern entwickelten in 13 Jahren 2095 Personen einen Lungenkrebs. Besonders oft wurde ein so genanntes Adenokarzinom diagnostiziert – ein Krebs, der auch bei Nichtrauchern auftritt.

Nach Angaben der Studiengruppe führt bereits eine um zehn Mikrogramm erhöhte Konzentration von PM10-Teilchen zu einem um 22 Prozent erhöhten Lungenkrebsrisiko. „Wir können allerdings keinen Schwellenwert für eine Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub festlegen. Generell gilt, auch unter 40 Mikrogramm pro Kubikmeter: Je weniger, desto besser“, sagen Gudrun Weinmayr und Gabriele Nagel.

Bei der ESCAPE-Studie haben hochrangige Experten aus ganz Europa zusammengearbeitet. „Aus den Kohorten und Umweltmessungen ist eine einzigartige Datensammlung entstanden. Ungenauigkeiten vorheriger Studien konnten entscheidend verbessert werden“, so Gabriele Nagel. In Folgeprojekten soll zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Feinstaubkonzentration und kardiovaskulären Erkrankungen – und von der Ulmer Gruppe Magenkrebs – untersucht werden.

„Meiner Einschätzung nach, ist das Studienergebnis auf den weit verbreiteten Bias zurückzuführen, den eigentlich zugrundeliegenden Zusammenhang zu übersehen: Dass Menschen, die an verkehrsreichen Straßen wohnen, dazu tendieren, auch mehr zu rauchen. Dieser Zusammenhang lässt sich an solch großen Datenmengen, wie sie in dieser Studie vorlagen, allerdings nicht mehr überprüfen“, kommentiert Prof. Dieter Köhler vom wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP).

Quelle: Universität Ulm