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Angeboren oder doch erworben und lernfähig?

Bestimmte Fresszellen des Immunsystems, die so genannten Makrophagen, wurden seit ihrer Entdeckung als klassische Bestandteile des angeborenen Immunsystems angesehen. Jetzt berichten Forscher, dass es Makrophagen gibt, die über ein flexibles Immunerkennungssystem verfügen. Sie besitzen demnach Eigenschaften, die bisher nur dem erworbenen, lern- und anpassungsfähigen (adaptiven) Immunsystem zugeschrieben wurden. Diese Entdeckung könnte die Behandlung von vielen entzündlichen Erkrankungen grundlegend verändern.

Offenbar sind Makrophagen – Fresszellen des Immunsystem die unter anderem auch in der Lunge vorkommen - lange Zeit unterschätzt worden. Rund 130 Jahre nach ihrer Entdeckung durch den Nobelpreisträger Ilja Iljitsch Metschnikow hat jetzt eine internationale Forschergruppe unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) nachgewiesen, dass es Makrophagen gibt, die über ein flexibles Immunerkennungssystem verfügen (siehe Tuberkulose Diese Makrophagen, die seit jeher als klassische Pfeiler des angeborenen Immunsystems angesehen wurden, besitzen demnach Eigenschaften, die bisher nur dem erworbenen, lern- und anpassungsfähigen (adaptiven) Immunsystem zugeschrieben wurden.

Mögliche Implikationen dieses bisher unbekannten Makrophagen-Immunsystems für die Entzündungsforschung sind besonders zahlreich. „Da Makrophagen an chronischen Entzündungsprozessen nahezu jeglicher Couleur beteiligt sind, beeinflusst diese Entdeckung die Erklärungsmodelle für unterschiedlichste Erkrankungen, deren Entstehung und Verläufe bislang unverstanden sind“, erläutert Prof. Dr. Wolfgang Kaminski. Der als Oberarzt am Institut für Klinische Chemie der UMM tätige Labormediziner hat gemeinsam mit Priv.-Doz. Dr. med. Alexander Beham, Oberarzt in der Allgemein- und Viszeralchirurgie der UMG, verschiedene Forschungsstudien zum Thema geleitet.

Am Beispiel der Tuberkulose - einer Infektionskrankheit, an der derzeit weltweit etwa 10 Millionen Menschen erkrankt sind - konnten die Forscher um Prof. Kaminski bereits nachweisen, dass das neu entdeckte Makrophagen-Verteidigungssystem eine bedeutende Rolle bei der Immunabwehr spielt. Zum Hintergrund der Entdeckung: Unser Immunsystem verfügt über zwei verschiedene Mechanismen, mit denen es als „fremd“ erkannte Organismen oder Substanzen bekämpft: die angeborene (innate) und die erworbene (adaptive) Immunantwort. Das aus evolutionsbiologischer Sicht deutlich ältere System ist die angeborene Immunantwort. Bislang war die Wissenschaft davon überzeugt, dass die angeborene Immunantwort im Gegensatz zur erworbenen Immunantwort nicht flexibel ist, nur unselektiv auf fremde Reize reagieren kann und daher auch über kein „immunologisches Gedächtnis“ verfügt. Demgegenüber sind die Gedächtniszellen des erworbenen, lernenden Immunsystems besonders wirksam bei wiederkehrenden Reizen: Wurden diese beim ersten Kontakt als gefährlich eingestuft, so wird eine sehr produktive und selektive Immunantwort ausgelöst. Reize, die als ungefährlich eingestuft wurden, erzeugen hingegen eine Immuntoleranz.

Die aktuelle Arbeit legt jedoch nahe, dass die in der Evolution lange vor den Lymphozyten des lernenden Immunsystems entstandenen Makrophagen bereits über dieselben spezifischen Immunerkennungsmechanismen verfügen, die die Lymphozyten als Ausführungsorgane des heutigen adaptiven Immunsystems nutzen. Die neu entdeckte Makrophagenpopulation bildet möglicherweise eine Brücke zwischen dem angeborenen Immunsystem und dem nach bisheriger Kenntnis nur von Lymphozyten benutzten erworbenen Immunsystem.

Angesichts der zentralen Bedeutung der Makrophagen in der generellen Immunabwehr gehen die Wissenschaftler davon aus, dass das neu entdeckte flexible Makrophagen-Verteidigungssystem eine wichtige Rolle bei der Entstehung weiterer makrophagen-abhängiger Entzündungserkrankungen einnimmt. Hierzu zählen neben der Atherosklerose, der Hauptursache für Herzinfarkt und Schlaganfall, rheumatische und neurodegenerative Erkrankungen sowie Krebs-assoziierte Entzündungen.

„Die Erkenntnisse aus dieser von Kollegen Kaminski und Mitarbeitern durchgeführten Arbeit sind unbedingt wegweisend und werfen gleichzeitig viele neue Fragen auf: Wie umfangreich wird das immunologische Repertoire von diesen Makrophagen genutzt, und wieweit sind sie tatsächlich lernfähig? Die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen könnte die Behandlung von vielen Erkrankungen grundlegend verändern und ist schon deshalb nicht hoch genug einzuschätzen“, erklärt Prof. Dr. Michael Neumaier, Direktor des Mannheimer Instituts für Klinische Chemie.

Quelle: Universitätsmedizin Mannheim