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Abgase machen Pollen aggressiver

Je mehr Ozon und Stickoxide durch Industrie- und Autoabgase entstehen, desto häufiger werden Proteine wie z.B. in Birkenpollen so verändert, dass sie vergleichsweise heftigere allergische Reaktionen verursachen – was Forschern zufolge der Grund für zunehmende Allergien sein könnte.

Wie immer mehr allergieauslösende Stoffe in unserer Luft entstehen, wird nun dank neuer Erkenntnisse von Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemie und des Paul-Scherrer-Instituts in der Schweiz endlich klarer: Die Wissenschaftler haben erstmals langlebige reaktive Sauerstoffzwischenformen auf der Oberfläche von Aerosol-Partikeln nachgewiesen (siehe Nature Chemistry, Online-Vorabveröffentlichung am 20.2.2011). Die Sauerstoffformen überleben dort mehr als 100 Sekunden lang und reagieren in dieser Zeit mit anderen Luftschadstoffen wie Stickoxiden. Chemisch werden die Schwebteilchen dabei oxidiert und nitriert. Genau das macht Rußpartikel toxischer und erhöht das Potenzial von Pollen, Allergien auszulösen.

Zwischenformen des Sauerstoffs entstehen, wenn Ozon mit Feinstaub wie Ruß, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen oder Pollenproteinen reagiert.
Es wird zwar schon seit Jahren vermutet, dass diese Zwischenformen existieren, dabei ist man aber davon ausgegangen, dass diese in Sekundenbruchteilen wieder verschwinden und daher kaum Auswirkungen auf die chemischen Prozesse in der Atmosphäre hätten.

„Unsere Untersuchungen lösen nicht nur den scheinbaren Widerspruch zwischen den theoretischen Berechnungen und Messungen. Die reaktiven Sauerstoffformen sind auch für viele atmosphärische und physiologische Reaktionen verantwortlich“, sagt Manabu Shiraiwa, Erstautor der Studie. Ulrich Pöschl, Leiter der Aerosol-Forschungsgruppe am Mainzer Max-Planck-Institut, geht sogar einen Schritt weiter: „Wir vermuten, dass die Zunahme der Allergien in Industrieländern genau mit diesen Reaktionen zusammenhängt. Je mehr Ozon und Stickoxide durch Industrie- und Autoabgase entstehen, desto häufiger werden Proteine wie etwa in Birkenpollen nitriert, und das reizt unser Immunsystem Pöschl und seine Kollegen haben Hinweise dafür gefunden, dass Proteine, die auf diese Weise chemisch verändert werden, tatsächlich heftigere allergische Reaktionen auslösen können als die unveränderte Form. Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, wäre den Forschern zufolge die menschliche Gesundheit durch Abgase stärker gefährdet als bisher vermutet.

Möglicherweise erklären die reaktiven Sauerstoffzwischenformen auch einige direkte gesundheitsgefährdende Effekte von Dieselabgasen und Tabakrauch: Auch hier reagiert Ozon leicht mit den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen auf der Oberfläche der Ruß- und Rauchpartikel und bildet die langlebigen Sauerstoffzwischenformen. Werden die Partikel dann eingeatmet, greifen sie direkt in physiologische Abläufe in der menschlichen Lunge und in anderen Organen ein.

Die Forscher vermuten zudem, dass die Sauerstoffzwischenformen indirekt unser Klima beeinflussen. Vermutlich sind sie an der Bildung und dem Wachstum von organischen Feinstaubpartikeln beteiligt. Diese wiederum entstehen aus flüchtigen organischen Verbindungen aus Pflanzen und Industrieabgasen. Die Partikel brechen das Sonnenlicht und beeinflussen die Entstehung von Wolken und Niederschlag, was wiederum den Energiehaushalt der Erde und den Wasserkreislauf beeinflusst.

Um die Effekte der Sauerstoffformen genauer zu untersuchen, werden die Mainzer Max-Planck-Forscher weitere kinetische Experimente und umfangreiche rechnerische Simulationen vornehmen. Zudem wollen sie gemeinsam mit Partnern aus der biomedizinischen Forschung die physiologischen Effekte der nitrierten Proteine erforschen.

Quelle: Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz