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Ist eine Phänotypisierung von Asthma mittels Biomarkern immer nötig?

Bestimmte Entzündungszellen - die Eosinophilen spielen bei der Phänotypisierung des Asthmas eine wichtige Rolle. Aber braucht es das wirklich bei jedem Patienten, der mit Asthma in die Praxis kommt?

Alle reden vom Phänotypisieren, aber braucht es das wirklich bei jedem Patienten, der mit Asthma in die Praxis kommt? Über diese Frage entwickelte sich eine lebhafte Debatte auf dem ERS International Congress 2022 der European Respiratory Society vom 4. bis 6. September in Barcelona.

Eigentlich ist es doch ganz einfach, meinte Prof. Dr. Celeste Porsbjerg von der Universität Kopenhagen. Asthma ist eine heterogene Erkrankung sowohl interindividuell als auch im zeitlichen Verlauf, und es bringt nichts, alle Patienten gleich zu behandeln. Deshalb sollte man sich klarmachen, womit man es zu tun hat, bevor die Therapie startet. Auch die Leitlinien und die GINA-Empfehlungen fordern das, allerdings nur für schweres Asthma.

Prof. Porsbjerg vertrat jedoch die Ansicht, dass sich ein Mindestmaß an Phänotypisierung auch bei leichteren Asthmafällen lohnt und machbar ist. Ob ein Patient allergisch reagiert, vielleicht sogar einen Heuschnupfen hat, lässt sich einfach feststellen. „Wenn Sie die allergische Rhinitis mit einem nasalen Steroid erfolgreich behandeln, wird sich auch die Asthmakontrolle bessern“, so die dänische Kollegin. Zudem hat erst kürzlich eine Auswertung der deutschen REACT-Studie eindrucksvoll gezeigt, dass Patienten mit Asthma plus Rhinitis viele Jahre von einer allergenspezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) profitieren – noch neun Jahre später brauchten sie weniger Asthmamedikamente, durchlitten weniger schwere Exazerbationen und hatten ein um 30 % reduziertes Risiko der Krankheitsprogression.

Zum Mindestprogramm gehören für die Kollegin ferner Differenzialblutbild und FeNO. Sie helfen, die Therapie anzupassen, vorab die Response sowie – im Fall von FeNO – Adhärenz und Inhalationstechnik bei ICS-Gabe abzuschätzen. Wichtig ist, diese Marker vor der Therapie zu messen, betonte Prof. Porsbjerg. Denn ICS senken das FeNO binnen Stunden und möglicherweise auch die Eosinophilen im Blut, orale Steroide tun das ganz sicher, was eine nachträgliche Phänotypisierung schwierig macht.

Das ändert aber nichts daran, dass weitere Einflüsse existieren, die die Messwerte verfälschen, entgegnete Prof. Dr. Marco Idzko, Universität Wien. Die Eosinophilenzahl im Blut hängt nicht nur davon ab, ob der Patient OCS oder ICS in hoher Dosis nimmt. Entscheidend ist auch, ob er in letzter Zeit Kontakt mit „seinen“ Allergenen hatte, ob er Begleiterkrankungen mitbringt, etwa eine Allergie oder eine Infektion. Bei FeNO sieht es noch ärger aus. Der Marker reagiert nicht nur auf alles, was die Eosinophilenzahl verändert, sondern darüber hinaus noch auf banale Infekte, Zigarettenrauch und andere inhalierte Noxen.

Prof. Idzko outete sich als Fan der Biomarker – für die Forschung, aber: „Die ganzen T2-Biomarker funktionieren im wirklichen Leben nicht“, konstatierte er. „Wir brauchen das alles nicht. Wir sollten uns nur fragen: Ist es ein schwer behandelbares oder ein schweres Asthma?“ Nicht einmal beim schweren Asthma benötige man zwingend FeNO. Meist reiche es, mit dem Patienten über seine Komorbiditäten zu reden. Hat er ein allergisches Asthma, Polypen oder eine Urtikaria, bekommt er Omalizumab. Liegen keine Allergie oder aber sehr viele vor und bestehen aufgrund von Nasenpolypen Probleme mit dem Riechen und Schmecken, kommen IL-5- und IL-4-Rezeptorblocker infrage. Bei Neurodermitis als Komorbidität ist Dupilumab der Antikörper der Wahl.
Die Frage ist doch, sollten wir die Marker messen, bevor wir behandeln, hielt Prof. Porsbjerg dagegen. Tatsächlich habe Prof. Idzko jede Menge gute Argumente für diese Strategie geliefert. Allerdings sieht die Kollegin ein Problem darin, dass die meisten Patienten bereits vom Hausarzt anbehandelt sind, wenn sie beim Pneumologen aufschlagen.

„95 % der Patienten haben ein leichtes Asthma, und die meisten davon ein allergisches – warum sollte ich bei denen Eosinophile oder einen störanfälligen Marker wie FeNO messen? Das ist Geldverschwendung. Und mit den restlichen 5 % muss ich nur reden“, meinte Prof. Idzko. Auch schweres Asthma basiere auf einer T2-Pathologie. „Das ist Asthma, fertig.“

Quelle: Medical tribune am 23.10.2022 & ERS International Congress 2022