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Wie nach einem Sandsturm

Auf einem Symposium über Seltene Lungenerkrankungen stand u.a. die Pulmonal-alveoläre Mikrolithiasis (PAM) im Fokus, bei der das Röntgenbild aussieht, als tobe ein Sandsturm durch die Lunge.

Wenn das Röntgenbild aussieht, als tobe ein Sandsturm durch die Lunge, handelt es sich vermutlich um PAM – die pulmonal-alveoläre Mikrolithiasis. Diese seltene Erkrankung schreitet langsam fort, eine überzeugende Therapie gibt es noch nicht.

Die PAM entsteht durch eine Genveränderung (Mutation) des Natrium-Phosphat-Transportproteins (NPT2B), in deren Folge es zur Ansammlung winziger Kalziumphosphatkristalle innerhalb der Lungenbläschen (im Alveolarlumen) kommt, erklärt Prof.Dr. Dirk Koschel, Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Dresden und am Fachkrankenhaus Coswig. Weltweit sind bisher ca. 1.000 Fälle beschrieben. Die PAM kann in jedem Alter auftreten, macht sich aber meist in der zweiten oder dritten Lebensdekade bemerkbar. Die klinischen Symptome sind unspezifisch. „Oft besteht eine Diskrepanz zwischen der geringen Symptomatik und dem ausgeprägten radiologischen Befund“, so Prof. Koschel. Extrapulmonale Manifestationen kommen sehr selten vor.
Radiologisch unterscheidet man vier Stadien:

  1. geringer Befall mit wenigen Kalziumphosphatkristallen (Mikrolithen)
  2. das typische, an einen Sandsturm erinnernde Bild mit Betonung der Mittel- und Unterfelder
  3. die zunehmende Ausbreitung der Erkrankung unter Bildung von Verdickungen zwischen den Zellen (sog. interstitielle Septenverdickung)
  4. extensive Kalkablagerungen („weiße Lunge“) mit Fibrosierungen (d.h. krankhafte Vermehrung von Bindegewebsfasern, die dann verhärten und vernarben) und Mikrozysten, manchmal mit Beteiligung der Pleuren (Pleura)

Kalkablagerungen in der Lunge können auch bei anderen Erkrankungen entstehen, etwa bei Fibrosen oder Metastasierungen in der Lunge, die als Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden müssen. „Aber dieses radiologische Bild ist schon ziemlich eindeutig, vor allem wenn es in jungen Jahren auftritt“, berichtet der Pneumologe.

Der diagnostische Algorithmus sieht nach dem Röntgen und ergänzender, hochauflösender Computertomographie (HR-CT) die Genanalyse vor. Wird eine der inzwischen über 30 bekannten Mutationen im SLC34A2-Gen nachgewiesen, gilt dies als Beweis. Bei negativer Genanalyse muss in der Lungenbiopsie, alternativ in der Spülflüssigkeit (nach einer bronchoalveolären Lavage) oder im Sputum nach Mikrolithen gesucht werden.

Therapeutisch stellt die PAM eine Herausforderung dar, verschiedene Strategien sind bereits versucht worden: Kortison, Bisphosphonate, Kalziumbinder und Ganzlungen-Lavage. Einen durchschlagenden Erfolg hat keine gebracht. Kortison und Bisphosphonate, die bei anderen kalzifizierenden Erkrankungen gute Effekte zeigen, wirken praktisch gar nicht. Zwischenzeitlich hatten Pneumologen auf die Lungentransplantation gesetzt, „aber es gibt Berichte, dass in der transplantierten Lunge wieder eine PAM aufgetreten ist“, so Prof. Koschel. Die Hoffnungen ruhen jetzt auf Gentherapien, welche die Funktion von NPT2B wiederherstellen sollen.

Quelle: Medical Tribune am 31.07.2022 & Kongressbericht: 9. Symposium Seltene Lungenerkrankungen im virtuellen Fokus