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Strategie bei Asthma-Behandlung verändert sich

Bei der Asthma-Therapie hat sich die Strategie geändert: Anstatt nur Symptome zu lindern, soll durch die Orientierung an Biomarkern eine langfristige Besserung der Erkrankung erreicht werden.

Anfang des 21. Jahrhunderts zielte die Asthmatherapie noch allein darauf ab, die akute und potenziell lebensbedrohliche Verengung der Atemwege (Obstruktion) zu mindern. Heute kann die Medizin die langfristige Besserung der Erkrankung ins Visier nehmen – dank phäntotypspezifischer antiinflammatorisch wirkender Medikamente.

Mehr als 100 Jahre Forschung waren nötig, um die zentrale Rolle der chronischen Entzündung der Atemwege bei Asthma und die Komplexität der zugrunde liegenden immunologischen Mechanismen zu verstehen. Dank dieser Erkenntnisse konnten hochwirksame Therapien entwickelt werden, die das zukünftige Risiko von Exazerbationen oder eine Verschlechterung der Lungenfunktion verringern.

Der Schlüssel zum Erfolg war ein Wechsel der Perspektive weg von einem rein auf Symptome ausgerichteten Behandlungskonzept, hin zu einer Strategie, die sich an Biomarkern orientiert, schreiben Autoren um Prof. Dr. Marek Lommatzsch von der Universitätsmedizin Rostock (siehe The Lancet, online seit 23.4.2022). Mittlerweile stehen vier große evidenzbasierte Medikamentenklassen zur Verfügung:

  • inhalative Kortikosteroide (ICS), allein oder in Kombination mit lang wirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) und lang wirksamen Muskarinantagonisten (LAMA)
  • orale Leukotrienrezeptor-Antagonisten
  • Biologika
  • sublinguale oder subkutane Allergenimmuntherapien

Weiterhin bildete das Verständnis der unterschiedlichen Asthma-Phänotypen die Grundlage für eine individuell zugeschnittene Behandlung. Dies zeigt sich nicht zuletzt an dem großen Spektrum an ICS bzw. Fixkombinationen, Anwendungsschemata (Erhaltungstherapie oder Inhalation nach Bedarf) und Inhalatoren. Mit den Biologika stehen zudem immunmodulatorische Medikamente zur Verfügung, die an den Ursachen der Erkrankung ansetzen. Sie modulieren nicht nur die zugrunde liegende Entzündung, sondern können auch die Funktion von Epithelzellen, glatten Muskelzellen, Fibroblasten und Nerven verbessern und somit dem Umbau der Atemwege entgegenwirken, betonen die Autoren.

Aufgrund dieser neuen Möglichkeiten wurden die Behandlungsempfehlungen in nationalen und internationalen Leitlinien in den letzten Jahren geändert. Systemische Glukokortikoide sind mittlerweile ebenso obsolet wie eine Monotherapie mit kurz wirksamen Bronchodilatatoren. Stattdessen setzt man auf phänotyp-spezifische, entzündungshemmende Optionen, um akuten Symptomen und Exazerbationen vorzubeugen und die Sterblichkeit sowie zukünftige Risiken zu verringern.

In den Empfehlungen der Global Initiative for Asthma (GINA) aus dem Jahr 2021 werden zwei Behandlungspfade angegeben. Demnach sollten jugendliche und erwachsene Patienten unabhängig vom Schweregrad ihrer Erkrankung bevorzugt niedrig dosiert die Kombination ICS-Formoterol als Bedarfsmedikation erhalten. Alternativ kommt eine Erhaltungstherapie mit ICS (ggf. in Kombination mit LABA) und einem kurz wirksamen Beta-2-Agonist bei Bedarf infrage. Wie Prof. Lommatzsch und Kollegen darlegen, sollte die Gabe von niedrig dosierten oralen Kortikosteroiden nur bei Patienten mit schwerem Asthma erfolgen, deren Erkrankung trotz hoch dosierter inhalativer Dreifachtherapie (ICS + LABA + LAMA) unkontrolliert ist und bei denen Therapieversuche mit Biologika erfolglos geblieben oder nicht indiziert sind.

Mit Blick auf die Erfolge, die moderne Therapieoptionen bei der Behandlung von Asthma ermöglichen, sprechen sich einige Experten dafür aus, dass ICS, Biologika und Immuntherapien unter dem Begriff „krankheitsmodifizierende Anti­Asthmatika“ zusammengefasst werden. Für diese Nomenklatur sprechen aus Sicht der Autoren unter anderem Vergleiche mit der allergenspezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung) und der Therapie der rheumatoiden Arthritis.

Die Allergenimmuntherapie wird vor allem deshalb als krankheitsmodifizierend postuliert, weil der klinische Nutzen und die immunologischen Veränderungen über die Zeit der Behandlung hinaus andauern. In der Therapie der rheumatoiden Arthritis hingegen werden eine ganze Reihe an Wirkstoffen als krankheitsmodifizierende Antirheumatika (disease-modifying anti-rheumatic drug, DMARD) bezeichnet, obwohl die Krankheit nach Absetzen der Medikamente wieder aufflammt. Begründet wird dies durch das Erreichen einer Remission, definiert als sehr niedrige Krankheitsaktivität, unter den DMARD.

Dieser Ansatz lässt sich auf die moderne Erhaltungstherapie bei Asthma übertragen. So deuten die Ergebnisse klinischer Studien sowie praktische Erfahrungen darauf hin, dass die therapeutische Wirkung von Biologika bei schwerem Asthma bei den meisten Patienten nur während der Behandlung erhalten bleibt. Das heißt, ein Abbruch der Behandlung kann zu einem Schub mit erneuten Exazerbationen sowie einem Verlust der Asthmakontrolle führen.

Bei Patienten mit weniger schwerer Erkrankung gibt es ähnliche Daten für ICS. In Analogie zu den Antirheumatika sollten aber nach Ansicht der Experten dennoch alle Medikamentenklassen, mit denen sich ein Erkrankungsrückgang (eine Asthmaremission) erreichen lässt, künftig als krankheitsmodifizierende Antiasthmatika bezeichnet werden.

Quelle: Medical Tribune vom 8.12.2022