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Neues Therapieziel bei Asthma bronchiale

Die neue, deutsche Asthma­Leitlinie hat als erste weltweit das Therapieziel „klinische Remission“ – also den kompletten Rückzug der Krankheit - festgeschrieben. Wie sinnvoll ist das? Lässt sich das überhaupt erreichen?

Nach Überzeugung von Prof. Dr. J. ­Christian ­Virchow, Chef der Pneumologie am Universitätsklinikum Rostock, ist es Zeit, die Perspektive zu wechseln, aus der heraus man das Asthma-Management betrachtet. Statt wie bisher am Schweregrad der Erkrankung, sollte sich die Therapie künftig an der zugrunde liegenden Pathologie ausrichten – also der Krankheitsaktivität, den Entzündungswerten und/oder auftretenden Beschwerden. Wie bei anderen chronisch-inflammatorischen Erkrankungen müsse die Devise lauten: treat to target - d.h. Behandeln bis das Therapieziel erreicht ist.

Klinische Remission bedeutet weder Heilung noch vollständige Abwesenheit pathologischer Veränderungen in den Atemwegen. Sie umfasst anhaltende Symptom- und Exazerbationsfreiheit (d.h. keine Beschwerden und keine Verschlechterungen!) sowie eine stabile Lungenfunktion bei minimalen Nebenwirkungen und ohne Bedarf an oralen Steroiden (OCS), erklärt der Kollege. Sind diese Kriterien zwölf Monate lang erfüllt, sei es gerechtfertigt, von Remission zu sprechen. „Das steht ein bisschen im Widerspruch zu den GINA-Empfehlungen“, räumt der Experte ein. Diese beinhalten Re-Evaluationen nach drei Monaten und dann jeweils die Entscheidung, ob die bestehende Therapie intensiviert oder verringert werden kann.

Auf den ersten Blick scheint das Konzept Remission so neu nicht, denn auch GINA fordert schließlich, Symptome zu kontrollieren und Exazerbationen zu vermeiden. Aber GINA definiert den Asthmaschweregrad anhand der erforderlichen Therapieintensität – und empfiehlt dann anhand des Schweregrades Behandlungsstufen.

„Da beißt sich die Katze in den Schwanz“, kritisiert Prof. Virchow. „Es ist Zeit, von der Symptombehandlung zu Symptomprävention und Langzeitnutzen fortzuschreiten.“ Und sich Strategien bei den Rheumatologen abzuschauen: Die nehmen das Verschwinden von Krankheitsaktivität zum Anlass, die erfolgreiche Therapie fortzusetzen, statt übers Absetzen nachzudenken, wie es Pneumologen oft tun. Außerdem verleiten die GINA-Empfehlungen Pneumologen dazu, sich mit Symptomkontrolle zufrieden zu geben, statt ihr Augenmerk auf den Langzeitverlauf zu richten, kritisierte der Kollege.

Zum Konzept der Remission gehören auch disease-modifying anti-asthmatic drugs (DMAAD). Unter diesem Begriff werden Medikamente zusammengefasst, die in der Lage sind, eine Remission herbeizuführen. OCS gehören explizit nicht dazu, was ja bereits aus der Remissionsdefinition hervorgeht. Auch Beta-2-Agonisten, ob kurz oder lang wirksam, zählen nicht zu den DMAAD, weil sie in erster Linie symptomatisch wirken. Bleiben also die Allergenimmuntherapie, deren krankheitsmodifizierende Effekte die Anwendung überdauern, inhalative Steroide, Leukotrienrezeptorantagonisten (LTRA) und Biologika.

Auf lange Sicht wird die Asthmatherapie noch ehrgeizigere Ziele ins Visier nehmen, nämlich den durch die Entzündungsprozesse (Inflammation) ausgelösten Umbau der Atemwege (Atemwegsremodeling) zu verhindern, zu stoppen und sogar umzukehren, prophezeit Prof. Virchow. „Das mag Ihnen als Utopie erscheinen, aber wenn man einige Arbeiten aus der letzten Zeit betrachtet, könnte es schneller Realität werden als man denkt.“ Studien mit Anti-IL-4/13 zeigen, dass sich selbst bei schwer durch Neurodermitis veränderter Haut eine Normalisierung erreichen lässt. Vielleicht funktioniert das auch bei asthmageschädigten Atemwegen. Als Marker der biologischen Remission könnten alte Bekannte wie Eosinophile und FeNO dienen. „Wenn wir zeigen könnten, dass die Prognose langfristig besser aussieht, wenn wir FeNO dauerhaft normal halten, wäre das ein großer Schritt nach vorne auf dem Weg zu klinischer und biologischer Remission“, meint Prof. Virchow.

Quelle: Medical Tribune am 27.10.2023 & Kongressbericht vom European Respiratory Society (ERS) International Congress 2023