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09.04.2021

Mutationen von SARS-CoV-2 erschweren Immunüberwachung durch T-Killerzellen

Die meisten der aktuellen Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 richten sich gegen das sogenannte Spike-Protein, welches aber nur eines von 26 Viruseiweißstoffen darstellt und nur über ein bis sechs Zellregionen für die Erkennung durch T-Killerzellen (Epitope) verfügt. Mutiert das Virus in einer dieser Regionen, steigt das Risiko, dass die infizierten Zellen nicht von den T-Killerzellen erkannt werden. Neue Corona-Impfstoffe sollten insofern möglichst viele T-Killerzellen über eine Vielzahl von Epitopen aktivieren.

Die körpereigene Immunantwort spielt beim Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 eine entscheidende Rolle. Neben den Antikörpern sind T-Zellen (auch T-Killerzellen genannt) dafür verantwortlich, Viren im Körper aufzuspüren und unschädlich zu machen. Forschende des Forschungszentrums für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) zeigten nun, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 sich durch bestimmte Mutationen für die Immunantwort durch T-Killerzellen unerkennbar machen kann (siehe Science Immunology, Online-Veröffentlichung am 4.3.2021

Nach einem Jahr Corona-Pandemie zeichnet sich für Wissenschaft und Medizin ein immer deutlicheres Bild davon ab, wie eine optimale Immunantwort Menschen vor SARS-CoV-2 schützen kann. Zwei Akteure spielen dabei eine zentrale Rolle: AntikörperAntikörper
Antikörper werden auch Immunglobuline (Ig) genannt und sind Eiweißstoffe (Glykoproteine), die der menschliche Körper nach Kontakt mit einem Fremdstoff (Antigen) bildet. Diese Antikörper können dann gezielt (in der sogenannten Antigen-Antikörper-Reaktion) an die Antigene binden. Die so entstehenden Immunkomplexe werden dann unschädlich gemacht. Erhöhte Ig-Mengen weisen allgemein auf eine gesteigerte Immunabwehr hin, wie sie bei akuten oder chronischen Infektionskrankheiten (allergischen und parasitären Krankheiten) häufig auftritt. Man unterteilt die Immunglobuline in vier verschiedene Klassen (Ig A, Ig E, Ig G und Ig M). Je nachdem welcher Typ vermehrt vorliegt, erlaubt dies Rückschlüsse auf die vorliegende Krankheit.
und T-Killerzellen. Während Antikörper direkt an Viren andocken, um diese unschädlich zu machen, erkennen T-Killerzellen virale Eiweiß-Fragmente auf infizierten Zellen und töten diese in der Folge ab, um die Virusproduktion zu stoppen. Immer mehr Studien zeigen, dass sich SARS-CoV-2 durch Mutationen der Antikörper-Immunantwort entziehen kann und damit auch die Wirksamkeit von Impfstoffen beeinträchtigt. Ob solche Mutationen auch T-Killerzellen in ihrer Funktion beeinträchtigen, war bis jetzt nicht geklärt.

Die Auswirkung von Virusmutationen in sogenannten T-Zell-Epitopen, d. h. in Regionen, die von T-Killerzellen erkannt werden, haben nun Benedikt Agerer im Labor von Andreas Bergthaler (CeMM), Maximilian Koblischke und Venugopal Gudipati in der Arbeitsgruppe von Judith Aberle bzw. Johannes Huppa (beide MedUni Wien) gemeinsam untersucht. Hierfür sequenzierten sie 750 SARS-CoV-2 Virusgenome von Infizierten und analysierten Mutationen auf ihr Potenzial, T-Zell-Epitope zu verändern. „Unsere Ergebnisse belegen, dass viele Mutationen in SARS-CoV-2 tatsächlich dazu in der Lage sind. Mithilfe bioinformatischer und biochemischer Untersuchungen sowie von Laborexperimenten mit Blutzellen von COVIDCOVID
siehe "Was ist Covid?"
-19-Patienten konnten wir zeigen, dass mutierte Viren von T-Killerzellen an dieser Stelle nicht mehr erkannt werden können“, berichtet Andreas Bergthaler.

In einer Studie wurde mittels eines massenspektrometrischen Ansatzes der Replikations- und Transkriptionskomplex (RTC) von Coronaviren näher charakterisiert. Im Mittelpunkt standen die regulatorischen Proteine nsp7 und nsp8 und deren unterschiedliche Komplexbildung in verschiedenen Alpha- und Betacoronaviren (siehe Science Advances, Online-Veröffentlichung am 3.3.2021).

Bei den meisten natürlichen Infektionen stehen mehrere Epitope für die Erkennung durch T-Killerzellen zur Verfügung. Mutiert das Virus an einer Stelle, ist es wahrscheinlich, dass noch andere Epitope die Anwesenheit des Virus verraten. Die meisten der aktuellen Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 richten sich ausschließlich gegen das sogenannte Spike-Protein, welches nur eines von 26 Viruseiweißstoffen darstellt. Dadurch reduziert sich auch die Zahl jener Epitope, die grundsätzlich für die Erkennung durch T-Killerzellen zur Verfügung stehen. „Das Spike-Protein verfügt im Durchschnitt über ein bis sechs dieser T-Zell-Epitope in einem Infizierten. Mutiert das Virus in einer dieser Regionen, steigt das Risiko, dass die infizierten Zellen nicht von den T-Killerzellen erkannt werden“, erklärt Johannes Huppa. Und Judith Aberle betont: „Vor allem für die Weiterentwicklung der Impfstoffe müssen wir daher genau im Auge behalten, wie das Virus mutiert und welche Mutationen sich global durchsetzen. Aktuell sehen wir wenige Hinweise, dass Mutationen in T-Killerzell-Epitopen sich verstärkt verbreiten.“

Die Studienautoren sehen in ihren Daten keinen Grund zur Annahme, dass sich SARS-CoV-2 der Immunantwort des Menschen komplett entziehen kann. Jedoch liefern diese Resultate wichtige Einblicke, wie SARS-CoV-2 mit dem ImmunsystemImmunsystem
Das körpereigene Abwehrsystem besteht aus drei Funktionskreisen:
(1) Knochenmark als Bildungsort für Immunzellen.
(2) Verschiedene zentrale Immunorgane wie Thymus (Prägung von T-Lymphozyten) und darmnahe Lymphorgane (für die Prägung von B-Lymphozyten).
(3) Sekundäre Lymphorgane wie Milz, Lymphknoten und Mandeln (Tonsillen).
Man unterscheidet die so genannte humorale Abwehr (über die Körperflüssigkeiten mit darin enthaltenen Antikörpern und Faktoren aus dem so genannten Komplementsystem) und die zellvermittelte Abwehr (mit B- und T-Zellen, Makrophagen, Antigen-präsentierenden Zellen, Granulozyten u.a.).
interagiert. „Darüber hinaus hilft dieses Wissen bei der Entwicklung von effektiveren Impfstoffen mit dem Potenzial, möglichst viele T-Killerzellen über eine Vielzahl von Epitopen zu aktivieren. Ziel sind dabei Impfstoffe, die neutralisierende Antikörper und T-Killerzellen-Antworten für einen möglichst breiten Schutz auslösen“, so die Studienautoren.

Quelle: Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM)