29.05.2016
Das Risiko, an verschiedenen Krebsarten zu sterben, steigt bei einer hohen Feinstaubbelastung stark an. Das berichten Forscher, die in Hongkong eine Langzeitstudie durchgeführt haben.
Ältere Menschen, die dauerhaft einer hohen Feinstaubbelastung ausgesetzt sind, sterben einer aktuellen Studie zufolge deutlich wahrscheinlicher an Krebs (siehe American Association for Cancer Research Journals, Online-Vorabveröffentlichung am 29.4.16). Das erhöhte Risiko gelte für eine ganze Reihe von Tumorarten, wie das Forscherteam aus Hongkong und Großbritannien berichtet. Die Forscher hatten die Daten von 66.820 Menschen erfasst, die zwischen 1998 und 2001 mindestens 65 Jahre alt waren. Die Todesursachen der Teilnehmer wurden bis 2011 untersucht. Dabei wurden Todesfälle in den ersten drei Jahren nach Beginn der Studie nicht berücksichtigt. Außerdem wurden die Daten um den Risikofaktor Rauchen bereinigt.
Unter FeinstaubFeinstaub
Feinstaub gilt als giftig und kostet nach Schätzungen der EU-Kommission jährlich zahlreichen Europäern das Leben. Mit einer Größe von weniger als 10 µm können Feinstäube in der Luft schweben (sog. Schwebstäube) und vom Menschen eingeatmet werden, so dass die Feinstaubteilchen in die Lunge gelangen und über die Lungenbläschen (Alveolen) in den Körper übergehen können. So stoßen sie u.a. bis in die Leber vor.
fallen winzige Partikel bis zu einer Größe von 10 Mikrometern. Ursprung der Schadstoff-Teilchen können zum Beispiel Dieselruß, Reifenabrieb oder Abgase von Industrie-, Kraftwerks- oder Heizungsanlagen sein. Im Fokus der aktuellen Studie standen Teilchen mit weniger als 2,5 Mikrometern Durchmesser (PM 2,5PM 2,5
PM ist die Abkürzung für das englische „particulate matter“ und bezeichnet Teilchen mit einer Größe kleiner als 2,5 µm im Durchmesser.
), die sich tief in den Bronchien und Lungenbläschen festsetzen oder sogar ins Blut übergehen können.
Die Forscher erhoben die Feinstaubwerte an den Wohnorten der Menschen. Ergebnis: Bei einer um 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erhöhten Feinstaubkonzentration, stieg das Risiko, an Krebs zu sterben, um 22 Prozent. Für Tumoren im oberen Verdauungstrakt stellten die Experten sogar einen Anstieg um 42 Prozent fest. Das Sterberisiko durch Krebs an Leber, Pankreas oder Gallenblase nahm laut Studie um 35 Prozent zu. Bei Frauen stieg das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, sogar um 80 Prozent, wie die Forscher erläutern.
Während die Verbindungen zwischen Feinstaubbelastung und einem erhöhten Lungenkrebsrisiko bereits gut dokumentiert sind, ist die gemeinsame Studie von Forschern der Universitäten Birmingham und Hongkong eine der ersten Untersuchungen, die auch einen Zusammenhang von Luftverschmutzung und anderen Krebs-Erkrankungen belegt. Die Studie mache deutlich, dass Feinstaub in Großstädten weltweit so viel und so schnell wie möglich reduziert werden müsse, meint Neil Thomas von der Universität Birmingham.
Für die Auswirkungen der Feinstaubbelastung auf verschiedene Krebsarten gibt es nach Meinung der Forscher mehrere mögliche Erklärungen: Sie reichen von Veränderungen der ImmunabwehrImmunabwehr
Das körpereigene Abwehrsystem besteht aus drei Funktionskreisen:
(1) Knochenmark als Bildungsort für Immunzellen.
(2) Verschiedene zentrale Immunorgane wie Thymus (Prägung von T-Lymphozyten) und darmnahe Lymphorgane (für die Prägung von B-Lymphozyten).
(3) Sekundäre Lymphorgane wie Milz, Lymphknoten und Mandeln (Tonsillen).
Man unterscheidet die so genannte humorale Abwehr (über die Körperflüssigkeiten mit darin enthaltenen Antikörpern und Faktoren aus dem so genannten Komplementsystem) und die zellvermittelte Abwehr (mit B- und T-Zellen, Makrophagen, Antigen-präsentierenden Zellen, Granulozyten u.a.).
über Einflüsse auf die DNA-Reparatur bis hin zu Entzündungen.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist eine jährliche Feinstaubelastung von 10 Mikrogramm pro Kubikmeter gerade noch unbedenklich. Vor allem in Asien überschreiten viele Großstädte diesen Grenzwert jedoch deutlich. Hongkong liegt laut WHO-Zahlen bei einer jährlichen Durchschnittsbelastung von 21 Mikrogramm. In Peking sind Menschen durchschnittlich 67,7 Mikrogramm Feinstaub ausgesetzt.
„Es ist alarmierend, dass Feinstaub in Verbindung mit einer so großen Vielzahl von Krebserkrankungen steht“, kommentiert Lauri Myllyvirta von Greenpeace. Nach Angaben der Umweltorganisation führt Feinstaub jährlich zu einer Million Todesfälle in China. In Indien sterben demnach rund 600.000 Menschen jährlich an schlechter Luft. In Europa seien es immerhin rund 100.000 Menschen. In China gelten dreckige Kohlekraftwerke und der dichte Autoverkehr in Großstädten als Hauptursache für gefährliche Luftverschmutzung. Die Regierung gehe zwar seit einiger Zeit gegen Smog vor, erzielte dabei allerdings durchwachsene Ergebnisse: Laut Greenpeace-Angaben ging die Luftverschmutzung in den ersten drei Monaten des Jahres landesweit um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. In immerhin 91 von 355 untersuchten Städten nahm die Luftverschmutzung aber weiter zu.
Quelle: dpa